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Die Zeugin: Thriller (German Edition)

Die Zeugin: Thriller (German Edition)

Titel: Die Zeugin: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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plötzlich explodiert. Mit aller Gewalt. Eigentlich hätte er es kommen sehen müssen. Und wir auch.« Er starrte auf seine Hände. »Lee … Er hatte sich in den letzten Jahren immer seltener blicken lassen. Wir wussten nicht, mit wem er zusammensteckte. Ich hätte was ahnen müssen. Es war schlimm.«
    Sam schwieg. Rory vermutete, dass ihr Vater diese Klage nicht zum ersten Mal anstimmte.
    »Dann taucht er auf einmal auf, in dieser Nacht …« Will rieb sich übers Gesicht. »Voller Blut, voller Scherben, zitternd. Und bittet mich um Hilfe.«
    »Was für Hilfe?«
    »Alles Mögliche. Medizinisch zunächst mal.«
    »War er schwer verletzt?«
    »Schuss in den Arm.« Zerstreut berührte er seine Schulter. »Und durch die Schüsse ging das Autofenster zu Bruch. Über all im Gesicht waren Scherben. Im Auge. Er hatte furchtbare Schmerzen.«
    Sam schwieg. Nicht einmal das Wort Schmerzen schien sie aus ihrer Versunkenheit reißen zu können.
    »Ich war … schockiert  – vorsichtig ausgedrückt. Ich hab versucht, ihn zu beruhigen, damit er sich hinsetzt und alles erklärt. Zuerst wollte er mir nicht verraten, was er gemacht hatte. Hat bloß immer wieder gesagt: ›Es ist was passiert, ich muss hier weg.‹ Ich wollte ihn in die Notaufnahme bringen, doch er hat sich geweigert und gesagt, ich soll das mit den Glasscherben machen. Ich war ratlos und …«
    »Will.« Samanthas Stimme war wie ein Strudel unter Wasser. »Du hast den Erste-Hilfe-Kasten geholt und die Splitter entfernt. Dann hast du ihn gefragt, ob er einen Anwalt braucht.«
    »Du hast also gewusst, was er getan hat?«, fragte Rory.
    Will nickte. »Natürlich. Auch wenn er sich am Anfang gewunden und drum herumgeredet hat. ›Die Sache.‹ ›Es ist was passiert.‹ Es war einfach kristallklar, dass da was ganz Schlimmes gelaufen war. Und dass er bis zum Hals drinsteckte.«
    »Hast du einen Anwalt angerufen?«
    Will schüttelte den Kopf. »Er hat sich geweigert. Und bevor ich es vorschlagen konnte, hat er gesagt: ›Ich will mich auch nicht stellen.‹« Er zögerte. »Lee brauchte nicht nur medizinische Hilfe und einen Platz zum Verstecken, während draußen die Cops rumgekurvt sind und nach dem Fluchtauto gesucht haben. Er hat mich auch um Schutz gebeten – für sich und für seine Familie.«
    »O Gott.«
    »Er hat mich beschworen, dass ich ihn vor der Polizei schütze. Und dass ich Amber und die Kinder vor der ganzen Sache schütze.«
    »Amber wusste nichts davon?«, fragte Rory.
    Sams Blick wurde finster. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Schon zu der Zeit, als sie noch halbwegs zurechnungsfähig war, hat Lee sie nicht ins Vertrauen gezogen. Die Ehe der beiden hatte nichts mit der Realität zu tun. Alles nur Luftschlösser.«
    Will räusperte sich. »Rory, du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Schock war. Als hätte sich vor meinen Füßen plötzlich ein Abgrund aufgetan. Da war mein Bruder, den ich geliebt habe, mit dem ich als Kind ein Zimmer geteilt hatte, mein Fleisch und Blut …« Seine Stimme brach.
    Rory spürte einen Kloß im Hals.
    Will fuhr fort. »Ich war – zerrissen. Anders kann man es nicht ausdrücken. Einfach in zwei Teile zerrissen. Was sollte ich tun? Konnte ich zulassen, dass mein Bruder für Jahrzehnte ins Gefängnis geht? Ich wollte … Ich wollte …«
    Sam trat zur Werkbank und schloss ihn fest in die Arme. Keuchend rang er nach Luft, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Nach einer Weile fasste ihn Samantha an der Hand.
    Will wischte sich über die Augen. »Er wollte fliehen. Und ich habe ihm dabei geholfen.«
    Rory war wie erstarrt.
    »Er wollte das Land verlassen, wollte nach Mexiko. Ich sollte ihm helfen, über die Grenze zu kommen. Und er war doch mein Bruder, Aurora.«
    Rory fiel es wie Schuppen von den Augen. Die ungeordneten Bilder aus ihrer Kindheit fügten sich allmählich zu einem schlüssigen Ganzen zusammen. »Ihr habt geglaubt, dass ich es nie erfahre.«
    »In der Verzweiflung glauben die Menschen die seltsamsten Dinge«, antwortete ihre Mutter.
    »Mom, Dad. Der Lieferwagen hinter der Gartenmauer. Der torkelnde Betrunkene. Seth und ich, wir haben ihn gesehen . Und all die Jahre habt ihr gesagt, dass nichts passiert ist.«
    Die beiden schienen kurz vor dem Zusammenbruch. »Wir konnten es dir doch nicht sagen«, erklärte Will. »Wie denn? Es wäre nicht fair gegen dich gewesen. Und ein Risiko für dich.«
    »Mexiko.«
    Will nickte.
    »Die Postkarten. Die Briefe. Er hat also nicht bloß seine

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