Die Zeugin
hätte mich miÃtrauisch machen sollen, aber damals klang das ganz einleuchtend. Er schwebte wochenlang in Lebensgefahr. Und dann schickte man mir, ohne daà ich darum gebeten hatte, eine Kopie des Unfallberichtes. Darin war detailliert aufgeführt, was passiert war, alles höchst amtlich und korrekt. Erst viel später kam mir der Gedanke, daà der âºUnfallâ¹ vielleicht inszeniert worden war. Daà man es auf Billy Joe abgesehen hatte.«
Sie kämmte sich mit den Fingern durchs Haar. Es irritierte sie jedesmal, wenn sie sich an ihre damalige Naivität erinnerte. »Als ich endlich begriff, daà man ihn absichtlich verstümmelt hatte, war es zu spät, um noch etwas zu unternehmen. Ich hatte schon ...« Sie verstummte, bevor sie zuviel verriet.
»Du hattest schon was?«
»Nichts.«
»Was?«
»Ich glaube, ich höre Kevin weinen.« Sie sprang auf.
»So leicht kommst du mir nicht davon. Er weint nicht. Setz dich.«
»Ich bin doch kein Hund, der âºSitzâ¹ macht, wenn du es befiehlst!«
»Warum erzählst du nicht weiter?«
»Weil ich ... ich ...«
»Wieso denn, Kendall? Wovor bist du auf der Flucht? Vor mir?«
»Nein«, schnappte sie.
»Du hattest sehr wohl vor, mich in dem Krankenhaus zurückzulassen, auch wenn du das nie zugeben wirst. Wenn ich dich nicht beim Rausschleichen erwischt hätte, wärst du jetzt weg, verschwunden, unbekannt verzogen. Spar dir das Leugnen, denn ich weiÃ, daà ich recht habe.
Dann bringst du mich in ein Haus, in dem es kein Telefon, keinen Fernseher, kein funktionierendes Radio gibt. Ganz richtig«, bestätigte er, als sie ihre Ãberraschung nicht verhehlen konnte. »Ich habe das Radio ausprobiert, das du im Schrank versteckt hast. Ist es von allein kaputtgegangen?«
»Ich wuÃte, daà es kaputt war, deshalb habe ich es weggeräumt.«
Offensichtlich glaubte er ihr nicht. »Wir sind völlig von der Welt abgeschnitten. Es gibt keine Nachbarn, jedenfalls soweit ich das beurteilen kann. Du hast uns bewuÃt isoliert.
Irgendwas hältst du vor mir geheim. Du hältst eine Menge vor mir geheim â meine Vergangenheit, deine Vergangenheit, unsere Ehe. Wenn es die gibt.«
Er zog sich am Tisch hoch. »Ich ertrinke in Unwissenheit, und du bist die einzige Verbindung zu meinem Leben vor dem Unfall, wie auch immer es ausgesehen haben mag. Hilf mir. Klär
mich auf, bevor ich verrückt werde. Sag mir, was ich wissen will. Bitte.«
Ihre Hände krampften sich so fest um die Rückenlehne ihres Stuhles, daà die Knöchel weià hervortraten. »Also gut. Was willst du wissen?«
»Erst mal, wieso bist du so sauer auf mich?«
»Wer sagt, daà ich sauer auf dich bin?«
»Das ist für mich die einzig logische Erklärung. Als sich dir ganz unerwartet eine günstige Gelegenheit bot, mich loszuwerden, hast du sie beim Schopf gepackt und wärst auch beinahe damit durchgekommen. Zweitens behauptest du, wir seien verheiratet, aber alle Anzeichen sprechen dagegen. Warum also solltest du so etwas behaupten?«
»Was für Anzeichen?«
»Ich habe dich nackt gesehen. Ich habe dich berührt. Aber wenn wir zusammen sind, empfinde ich keinerlei ... Vertrautheit.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil es zu erregend ist.«
Sie trat verlegen auf den anderen FuÃ. »Vielleicht erscheint dir das so. Aber nur, weil du dich nicht daran erinnern kannst, mit mir zusammen gewesen zu sein.«
»Und was ist mit dir?«
Sie senkte den Blick und schwieg. Sie konnte nicht antworten.
Er lieà sich nicht beirren. »Du hast die Nacht über neben mir gelegen, aber du hast dich die ganze Zeit gehütet, mich zu berühren, nicht mal versehentlich. Ich habe schlecht genug geschlafen, um mitzukriegen, wie ängstlich du darauf bedacht warst, jeden Hautkontakt mit mir zu vermeiden.«
»Das stimmt nicht. Wir haben uns einen Gutenachtkuà gegeben.«
»Ich habe dich geküÃt, aber du nicht mich. Und ich bin hundertprozentig sicher, daà ich dich nie zuvor geküÃt habe.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil ich mich nicht daran erinnern kann.«
Sie lachte leise. »Das heiÃt nur, daà meine Küsse nicht besonders einprägsam sind.«
»Wohl kaum. Ganz im Gegenteil.«
Seine Stimme war so leise und rauh, daà sie unwillkürlich den Kopf hob und ihm in
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