Die Zeugin
»Kriegen wir endlich einen neuen Aufzug? Unser alter ist so baufällig, daà ich lieber die Treppe nehme.«
Er lachte anerkennend. »Sie brauchen sich nicht dumm zu stellen, Mrs. Burnwood. Sie haben da einen heiÃen Fall.«
»Stimmt. Ich verbeiÃe mich gern in so abscheuliche Sachen wie tätlicher Angriff, Körperverletzung und Vergewaltigung.«
»Und wie stehtâs mit Mord ersten Grades?«
»Mord ersten Grades?« fragte sie scheinbar verständnislos zurück. »Sprechen wir über denselben Fall?«
»Lottie Lynam.«
»Sie wollen sie unter Mordanklage stellen? Ich bin sprachlos.«
»Sie haben dieselben Beweise und Berichte gelesen wie ich.«
»Wie können Ihnen da die Bilder entgangen sein, die man im Krankenhaus von Mrs. Lynam aufgenommen hat, oder die Berichte über ihre früheren Klinikaufenthalte oder die Polizeiberichte
über die wiederholten tätlichen Auseinandersetzungen im Hause der Lynams?«
»All das stützt nur meine These, daà die Tat geplant war«, antwortete er. »Lottie hatte allen Grund, es zu tun, und sie hatte reichlich Zeit zum Nachdenken. Man wird sie wegen heimtückischen und vorsätzlichen Mordes verurteilen. Haben Sie sich Hoffnungen auf Totschlag gemacht? Das können Sie vergessen. Ihre Mandantin hat es sich gestern nacht stundenlang überlegt, bevor sie Charlie schlieÃlich abknallte.«
»Sie wissen doch selbst, daà Sie das nicht beweisen können, Dabney. Ich könnte aus dem Stand heraus hundert Gründe für einen berechtigten Einspruch nennen.«
»Also gut, Frau Anwältin, hören wir auf, um den heiÃen Brei herumzureden«, meinte er nach einer kurzen Pause. »Charlie Lynam ist als Opfer nicht gerade sympathisch. Jeder weiÃ, daà er zuviel getrunken und Lottie immer wieder durchgewalkt hat. Wir könnten den Steuerzahlern eine Menge Geld und uns eine Menge Arbeit sparen.«
»Wie lautet Ihr Angebot?« kam sie zum Kern des Gesprächs.
»Sie bringen Lottie dazu, auf vorsätzlichen Totschlag zu plädieren. Sie wird wahrscheinlich zwanzig kriegen, von denen sie höchstens acht absitzen muÃ.«
»Danke, aber nein danke. Meine Mandantin ist nicht schuldig.«
»Nicht schuldig!« Jetzt klang er bestürzt. »Sie wollen âºnicht schuldigâ¹ beantragen?«
»Ganz genau.«
»Was wollen Sie vorbringen â Unzurechnungsfähigkeit?«
»Lottie Lynam ist vollkommen zurechnungsfähig. Sie wuÃte, daà ihr keine andere Wahl blieb, wenn sie ihr Leben retten wollte. Ich gebe zu, es war eine Verzweiflungstat, aber sie muÃte ihren Mann loswerden â und zwar in Notwehr.«
15. Kapitel
»Mr. Pepperdyne?«
»Hier drinnen!« rief er.
Der jüngere, unerfahrenere Beamte platzte in die Küche. Pepperdyne sah von Kendall Burnwoods Privatrechnungen auf, die vor ihm ausgebreitet auf dem Tisch lagen.
»Ist was?«
»Ja, Sir. Das hier haben wir im Schlafzimmer gefunden. Es war an die Unterseite einer Schreibtischschublade geklebt.«
Pepperdyne lieà sich von dem nervösen Beamten das Bündel Papiere geben und begann darin zu lesen. Sein Untergebener war zu aufgeregt, um stillsitzen zu können, und tigerte in dem schmalen Zwischenraum zwischen Tisch und Herd auf und ab. »Besonders interessant fand ich die Sache über den Prediger â diesen Bob Whitaker«, sprudelte es aus ihm heraus. »WuÃten Sie, daà er nie das Priesterseminar abgeschlossen hat, weil man ihn zuvor wegen seiner unorthodoxen Ansichten ausgeschlossen hatte?«
»Nein«, gab Pepperdyne verdrossen zu.
»Mrs. Burnwood hat es aber gewuÃt. Sie wollte alles wissen. Und hat alles aufgeschrieben.«
»Hmm. Offenbar war unsere Mrs. Burnwood furchtbar fleiÃig.«
»Und über den Staatsanwalt in Prosper gibt es ein ganzes Dossier. Nur daà sich diese Leute in South Carolina Ankläger nennen dürfen. Haben Sie das schon gelesen?«
»Fassen Sie es für mich zusammen.«
»Gorn wurde in Louisiana aus der Anwaltskammer ausgeschlossen.
Danach zog er nach South Carolina. Ein paar Jahre später wurde er in Prosper County zum Ankläger gewählt. Die Sache hat einen Hautgout, um es vorsichtig auszudrücken. Auch über den Richter gibt es Material. Ãber Bankbeamte, die Schulverwaltung, die Polizei. Welchen Stützpfeiler der Gemeinde Sie auch nennen â
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