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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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Zufalls es wollte, hatte Spirthoffer ausgerechnet an dem Tag, an dessen Ende der wahre Winter gleich einem lang verschollenen Verwandten in die Stadt zurückkehrte, sein Schaufenster vorweihnachtlich dekoriert. Girlanden, in deren dunkelgrünen Plastiknadeln rote Lämpchen blinkten, rahmten, wie einst in der Guten Alten Zeit üblich, das ungeteilte Glas. Elussa mühte sich, in die dunkle Tiefe des Geschäfts zu lugen. Alide aber betrachtete das im hellen Vordergrund Ausgestellte, klatschte entzückt in die Hände und drückte ihr Näschen und die Spitzen ihrer Zöpfe gegen die Scheibe. Denn im Nu hatte die Kleine begriffen, dass die Gesellen, die Spirthoffer da drinnen für Groß und Klein, für jeden an den kommenden Abenden kindlich gestimmten Passanten aufgestellt hatte, gemäß ihrer Art, mit den irgendwann einschlägig gewesenen Sensoren, auf Klopfen und Rufen reagieren mussten.
    Zusätzlich zu ihren mütterlichen Pflichten hatte sich Elussa stets Mühe gegeben, ihrer Tochter auch jenen maßvoll strengen und gerechten Vater zu ersetzen, der ihr selbst in ihrer Mädchenzeit vorenthalten worden war. Deshalb, aus festen erzieherischen Prinzipien, hatte das, was nun dort drinnen, fiepsend und flackernd, tutend und leuchtend in Bewegung geriet, nie auch nur den Hauch einer Chance besessen, in ihre Novonovosibirsker Wohnung vorzudringen. Zudem lag das Auf- und Abwogen der fraglichen Spielzeugmode schon weit zurück. Elussa erinnerte sich allerdings noch gut daran, wie diese Kerlchen, vor achteinhalb Jahren, als ihr zierlicher Körper mit Alide, die ein großes Neugeborenes werden sollte, schwanger ging, auf ihrem Siegeszug durch die chinesischen Provinzen und Protektorate auch in Sibirien Einzug gehalten hatten. Monsters of Mars! EinenSommer lang war man, wo immer Kinder spielten, vor ihrem Rattern und Schnaufen und ihrem kreischigen «Jawoll, my dear master!» fast wie von etwas Natürlichem, wie von Hundebellen oder Sperlingsgezwitscher, verfolgt worden.
    Sogar Elussas damaliger Arbeitgeber, der Leiter des Novo Centre Globo Language, ein in mancherlei Hinsicht alberner Halbkoreaner, hatte sich, kaum dass die Figuren, wie aus dem Nichts, aus irgendwelchen Altbeständen auf den Ramschmärkten der Stadt aufgetaucht waren, eine beachtliche Kollektion des elektronischen Spielkrams zulegt. Auch nachdem die Mode abgeebbt war, verblieben die knapp anderthalb Hand hohen Burschen in den Regalen seines Büros. Dort beantworteten die Marsianer, um deren Energieversorgung ihr Besitzer sich irgendwann zu kümmern aufgehört hatte, dessen schrilles Auflachen mit einem letzten Rucken des Kunststoffpanzers oder einem schwächlichen Lautsprecherknacksen.
    Hier jedoch, im Elektronischen Hospital, waren die längst ins Abseits geratenen Veteranen offenbar noch einmal auf Vordermann gebracht worden. Zwar sah man ihren Gliedmaßen und Rümpfen auch im vorweihnachtlich milden Schein des Spirthofferschen Schaufensters durchaus an, dass ihre einstigen Eigentümer recht kindlich rüde mit ihnen umgesprungen waren; aber was machten ein paar Schrammen schon aus, wenn die alte Mobilität und die ursprüngliche Kontaktfreudigkeit wiederhergestellt waren.
    «Kommt, Monsterlein! Kommt!», rief die kleine Alide in ihrem wundervoll hellen Deutsch, und nach und nach taten ihr alle Automaten diesen Gefallen. Ein besonders wuchtiger, krabbenartig plumper Marsianer bewegte seinen halbkugelförmigen Rumpf eilends von ganz hinten nach vorne und stieß zuletzt zwei seiner Planetengenossen mit den Greifklauen des vordersten Armpaars beiseite, um sich den Mittelplatz direkt unter den Spitzen von Alides Zöpfenzu sichern. Alide schob die Mütze zurück und legte das Ohr ans kalte Glas, um sein Lautgeben besser zu verstehen. «Er sagt Mama zu mir!», behauptete sie, ohne den Kopf von der Scheibe zu nehmen. «Er will zu uns nach Hause mitkommen und neben mir im Bett schlafen!»
    Als Elussa am darauffolgenden Tag, ein wenig zu früh, wie es ihre Art war, vor dem Laden eintraf, kniete dessen Betreiber auf der roten Folie, mit der das Schaufenster ausgelegt war, und hatte just diesen Vielbeiner in Händen. Wenig später lag die Spielfigur auf dem großen Tisch, den der Alte im Zimmer hinter dem Verkaufsraum für die erste Unterrichtseinheit vorbereitet hatte. Sie tranken einen orangeschillernden, fruchtig aromatisierten Tee, und Spirthoffer erzählte ihr, zurückliegende Nacht müsse es ein rechtes Tohuwabohu unter den Monstern gegeben haben. Letzten Endes trage

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