Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
Vom Netzwerk:
Nachforschungen anzustellen: Ich habe einige alte Freunde kontaktiert, Leute, die wissen, womit sich meine Familie beschäftigt. Die Nachricht von dem Bruch mit meinem Vater hat sich noch nicht herumgesprochen: Sie werden mir helfen. Sie haben Bücher, einer von ihnen hat mehrere Jahre in Skandinavien verbracht, wo er …«
    »Ivan.« Ich blieb stehen und sah ihn an. »Es sind noch zwei Tage bis Vollmond. Zwei Tage nur.«
    »Ich weiß.«
    »Wenn wir den Wolf bis dahin nicht vertrieben haben …«
    Er brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Erinnerst du dich noch an den Keller, von dem ich dir erzählt habe, den, wo mein Vater mich eingesperrt hat?«
    »Ja.«
    »Einer meiner Bekannten hat einen ähnlichen, in Monza. Ich habe heute früh mit ihm gesprochen: Er hat mir versichert, dass er sehr robust ist. Und mit ein paar Tricks kann man ihn noch sicherer machen: Siegel an die Wände malen, einen Fetisch unter der Tür vergraben …« Er zögerte. »Wenn du die Vollmondnacht dort verbringen würdest … Es würde die Verwandlung nicht verhindern, klar. Aber du würdest wenigstens niemandem Schaden zufügen, nicht einmal dir selbst. Und ich wäre die ganze Zeit bei dir, gleich hinter der Tür.«
    Ich schwieg eine Weile. Die Sekunden vergingen.
    »Oder wir gehen zu deinem Vater«, versetzte ich endlich, »und lassen ihn zu Ende führen, was er begonnen hat.«
    Ivan schüttelte den Kopf. »Du würdest nicht überleben. Das weißt du.«
    »Das würde ich auch nicht, wenn ich aus dem Fenster springen würde.«
    Seine Augen blitzten. »Sag so was nicht mal im Scherz.«
    »Aber wenn ich es täte«, erwiderte ich, indem ich seinem Blick standhielt, »würde es keinen Werwolf mehr geben.«
    »Für eine Weile, vielleicht. Aber dann würde sein Geist auf die Erde zurückkommen, wie er es immer getan hat. Wie es nach dem Tod der ›wilden Bestie‹ geschehen ist. Das ist es, wozu die Riten des Lupercals dienen: Ihn daran zu hindern, nach Belieben zurückzukehren. Aber auch ihre Macht dauert nicht ewig: Deshalb zelebriert man sie jedes Jahr, damit sich ihre Wirksamkeit nicht erschöpft.«
    Ich schloss die Augen, bemüht, meine Gedanken im Zaum zu halten. »Du willst mir damit sagen, dass es genauso sinnlos wäre, wenn ich außerhalb des Ritus sterben würde, weil der Wolf zurückkommen und jemand anders heimsuchen würde?«
    Er hüllte sich in Schweigen.
    »Würdest du denn wirklich sterben wollen?«, murmelte er endlich.
    »Frag mich lieber, ob ich leben will!« Ich war unwillkürlich laut geworden, und ein paar Passanten drehten sich nach mir um. »Vor ein paar Tagen hätte ich dich beinah umgebracht, und vorgestern war ich kurz davor, meine beste Freundin zu verschlingen!« Ich schüttelte heftig den Kopf. »Der Conte hat mir gesagt, dass ich mich, wenn der Wolf vollständig die Kontrolle über mich hat, zu jeder Zeit verwandeln werde, völlig unabhängig von den Mondphasen, selbst tagsüber. Ich werde sein wie das Ungeheuer aus den Sagen. Und wer wird dann mein nächstes Opfer? Meine Mutter? Mein Vater? Wer von den Menschen, die mir nahe sind?« Ich blieb widerwillig stehen. »Nein, Ivan: Ein solches Leben will ich nicht führen.«
    Er packte mich an den Schultern. »Du wirst nicht sterben, Veronica! Ich werde dich nicht sterben lassen, und ich werde dich auch nicht dem Wolf überlassen! Ich werde alles tun, alles , was notwendig ist, verstehst du? Ich werde …«
    Ich brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. Einfach so, mitten auf der Straße, mitten im Wind.
    Ich konnte nicht anders, und während wir uns küssten, war ich sicher, dass dies der letzte glückliche Augenblick meines Lebens sein würde.
    Als wir uns wieder voneinander lösten, schien Ivan noch benommener als ich.
    »Geh nach Hause, Ivan. Geh zurück ins Hotel. Ich werde dich noch vor dem Abend anrufen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Bitte …«
    Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Ich werde nichts Unvernünftiges tun. Das verspreche ich dir. Jetzt geh, und lass mich ebenfalls gehen.«
    Er zögerte noch immer, dann nickte er, beugte sich herunter und küsste mich nochmals – auf die Stirn. »Ich …«
    »Sag es nicht.« Ich wandte ihm den Rücken zu. »Sag es nicht mehr.«
    Aber ich sagte es so leise, dass er es nicht hören konnte. Dann lief ich davon.
    Gegen zwei begann es, in Strömen zu regnen. Zu Hause war niemand, und es war so düster, als hätten wir schwere, graue Vorhänge vor den Fenstern. Ich fühlte mich so einsam wie nie

Weitere Kostenlose Bücher