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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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vorher nicht in der Lage gewesen waren.
    »Glaubst du mir jetzt? Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich dir nicht wehtun will?«
    Er nickte. »Ja, ja.«
    Er streckte eine Hand aus, um mein Gesicht zu berühren: Ich ließ es zu. Er strich mir über die Wange, zitternd, scheu, als würde ihm selbst die leiseste Berührung Angst machen.
    Und dann lächelte er. »Veronica. Veronica.«
    Ich streichelte seine Hand, und er zog sie nicht zurück. »Ja. Veronica.«
    Ich stand auf und trat ein paar Schritte zurück. »Ich muss jetzt gehen.« Ich zeigte auf die Dächer. »Ich muss zurück nach Hause. Aber ich werde wiederkommen und dich besuchen. Versprochen.«
    Er nickte wieder, aber diesmal war es nicht mehr die übliche krampfhafte Geste.
    Ich nahm drei Schritte Anlauf und setzte dann zum Sprung an, die Luft durchschneidend bis zu dem Dach, von dem ich gekommen war. Keinen Augenblick hatte ich Angst, dass die Energie des Wolfes mich auf halbem Wege verlassen könnte, wie sie das bisher nicht getan hatte.
    Und tatsächlich geschah es auch nicht: Ich trat den Rückweg an, geleitet von einem untrüglichen Instinkt, der mich wieder zum Dach des Wohnhauses gegenüber und zu meinem geöffneten Fenster brachte. Nachdem ich die Straße mit einem Satz überquert hatte, landete ich auf dem Boden meines Zimmers mit einem so sanften Aufprall, dass ich sicher sein konnte, dass niemand ihn gehört hatte.
    Ich sah mich um: Mit den Augen des Wolfes schillerte mein Zimmer von Formen und Farben, und die Luft war erfüllt von vertrauten Gerüchen. Es war alles, wie es sein sollte, und gleichzeitig war es, als sähe ich es zum ersten Mal.
    Ich holte tief Luft und schloss die Augen.
    Es reicht jetzt. Es reicht .
    Ich wartete einige Zeit, dann öffnete ich sie ganz langsam wieder, ängstlich besorgt, was ich sehen würde. Aber ich hatte es geschafft: Es war alles zur Normalität zurückgekehrt. Halbdunkel, schemenhafte, kaum unterscheidbare Formen und nichts, das nicht mit ganz normalen menschlichen Sinnen wahrnehmbar gewesen wäre. Der Traum des Wolfes hatte sich noch einmal aufgelöst: Es hatte gereicht, dass ich es wollte.
    In der Dunkelheit meines Zimmers schlotterte ich auf einmal vor Kälte, setzte mich auf den Bettrand und lächelte.

K apitel 17
    Donnerstag, 19. Februar
    Abnehmender Mond
    A m Tag danach war Donnerstag, und am Nachmittag erwartete mich das Schwimmbad. Ich freute mich darauf, auch wenn der Himmel schon wieder wolkig war und ein heftiger Wind durch die Straßen fegte. Ich fühlte mich gut.
    In der Schule hielt ich meine Mauer des Schweigens aufrecht. Ich ignorierte Alex Stunde um Stunde, sogar nachdem ich bemerkt hatte, dass er mich ansah, als Irene und ich nach der Pause auf dem Weg ins Klassenzimmer an ihm vorbeigingen. Und auch nachdem ich am Ausgang der Schule mitverfolgt hatte, wie Angela mit ihm gelacht und ihn kurz um die Taille gefasst und auf die Wange geküsst hatte, bevor jeder seiner Wege gegangen war.
    Ich hatte die Szene aus dem Augenwinkel beobachtet, weil ich nicht direkt hinsehen wollte: Zu behaupten, es hätte mich gleichgültig gelassen, wäre gelogen, und doch war der Stich aus Wut und Eifersucht weniger intensiv als erwartet. Mein Magen hatte rebelliert, aber meine Augen waren trocken geblieben.
    Auf dem Nachhauseweg versuchte ich, mich auf andere Dinge zu konzentrieren, was am Ende gar nicht so schwierig war. In einer Parfümerie, an der ich zwar jeden Tag vorbeikam, die ich aber noch nie betreten hatte, kaufte ich mir einen wasserfesten rosa Lippenstift, den ich gleich auflegte, als ich am Nachmittag aus dem Haus ging.
    Als ich im Schwimmbad ankam, war ich seltsam euphorisch: Ich hatte beinahe Lust, durch die Gegend zu hüpfen. Ich schrieb das den Erfahrungen der letzten Nacht zu. Der Conte hatte auch damit wieder recht gehabt: Für meinen persönlichen Zug in die Hölle gab es auch eine Rückfahrkarte. Es war möglich, den Wolf zu beherrschen. Er war gekommen, als ich ihn gerufen hatte, und er hatte nicht Besitz von mir ergriffen. Im Gegenteil, er hatte es mir sogar ermöglicht, durch die Nacht zu fliegen.
    In der Toilette des Umkleideraums betrachtete ich mich eingehend im Spiegel: Ich war blass wie immer, aber im Vergleich zu den vergangenen Tagen hatte ich nicht mehr diesen angespannten Gesichtsausdruck, der mich wie eine chronisch Kranke aussehen ließ. Auch die Augenringe waren fast verschwunden, und der neue Lippenstift stand mir gut: rosa Lippen und milchweiße Haut. Ich würde das

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