Die zwei Monde: Roman (German Edition)
nächste Mal auch die Augen durch einen Hauch Schminke betonen.
In der Schwimmhalle sah ich mich nach Ivan um. Sicherlich würde er wie immer vor mir da sein und in dem vorderen Becken schwimmen, das auch ich gewohnheitsmäßig benutzte. Aber diesmal war er nicht da.
Ich kaute auf der Unterlippe herum und suchte die Halle ab. Schließlich entdeckte ich ihn auf dem Rand des zweiten, weiter entfernten Beckens. Er saß neben einem Mädchen und unterhielt sich.
Ich kam mir vor, als hätte mir jemand einen Faustschlag verpasst. Wer zum Teufel war das da?
Ich konnte sie von meinem Platz aus nicht gut sehen, denn Ivan befand sich praktisch zwischen mir und ihr: Das Einzige, was ich ausmachen konnte, war, dass sie groß war, einen dunkelblauen Badeanzug trug und perfekte Beine hatte. Und sie saß neben ihm. Sehr nah neben ihm.
Als ich von der Hallenwand aus endlich ihr Gesicht sehen konnte, blieb mir die Luft weg. Eine Woge der Wut überrollte mich.
Es war Elena.
Ein Tornado von Gedanken wirbelte durch meinen Kopf. Ich wusste zwar, dass auch sie regelmäßig schwimmen ging, aber ich hatte sie nie in meinem Schwimmbad gesehen: Was hatte sie also heute hier zu suchen? Und vor allem, was hatte sie mit Ivan zu schaffen ?
War es möglich, dass sich die beiden schon gekannt hatten? Nein, nein, ohne den geringsten Zweifel war sie es gewesen, die ihn angesprochen hatte: In einen Raum zu treten und sofort den hübschesten Jungen herauszupicken, um ihm anschließend den Kopf zu verdrehen – darin waren sie und ihre Freundinnen Profis.
Aber es gab auch eine fiesere Alternative. Wenn Elena wusste, wo ich schwimmen ging – und wie hätte sie das wissen können, wenn nicht, weil sie mir gefolgt war und mich ausspioniert hatte? –, dann konnte sie auch gesehen haben, wie ich mit ihm geredet, mit ihm an der Bar gesessen hatte oder in sein Auto gestiegen war.
Und jetzt war sie hier, um mit ihm zu plaudern und ihn anzubaggern in der Erwartung, dass ich irgendwann in Erscheinung treten würde.
Für einen Augenblick war ich blind vor Wut. Und genau in dem Moment drehte sich Ivan um – ich weiß nicht, ob zufällig oder nicht – und sah, wie ich dort wie festgenagelt an der Wand stand und ihn anstarrte.
»Veronica!«
Er stand sofort auf und kam auf mich zu. Elena folgte ihm.
Als sich unsere Blicke begegneten, verzog sie ihre Lippen zu einem Lächeln, das eher an eine Messerklinge denken ließ. »Hallo, Meis.«
Ivan riss überrascht die Augen auf. »Ihr kennt euch?«
Ich öffnete den Mund, um zu antworten, aber Elena war schneller als ich. »Wir gehen in dieselbe Klasse.«
Ich schloss den Mund sofort wieder und widerstand dem Impuls, ihr eine Ohrfeige zu versetzen.
»Aha.« Ivan warf mir einen Blick zu und wandte sich dann an Elena. »Aber ich hab dich hier in der Gegend noch nie gesehen.«
»Es ist das erste Mal, dass ich hierherkomme: Das Schwimmbad, in das ich normalerweise gehe, ist wegen Renovierung geschlossen.« Sie ließ ihren Blick langsam durch den Raum wandern, eine ziemlich theatralische und absolut irritierende Geste. »Dieser Ort hier ist nicht schlecht. Ein bisschen klein vielleicht. Ich denke, ich werde in den nächsten Wochen weiterhin herkommen.«
Der Gedanke ließ mir das Blut zu Kopf steigen, aber ich schaffte es, mir nichts anmerken zu lassen.
Ivan warf mir einen weiteren kurzen Blick zu. »Es war mir ein Vergnügen, aber für Veronica und mich steht noch einen Wettkampf aus.« Er deutete auf das andere Becken und schenkte Elena ein Lächeln. »Man sieht sich!«
Und damit entfernte er sich entschlossenen Schrittes, nur einen Augenblick stehen bleibend, um sicherzugehen, dass ich mitkam. Zu schade, dass ich Elenas Gesicht in diesem Moment nicht sehen konnte. Aber sich umzudrehen, kam nicht infrage: Das hätte ja so ausgesehen, als wäre sie von Bedeutung.
Stattdessen atmete ich erleichtert auf; die ganze Wut, die ich noch vor zehn Sekunden empfunden hatte, war verdampft, und an ihren Platz war eine flirrende und leicht grausame Genugtuung getreten.
»Wir haben doch gar keinen ausstehenden Wettkampf mehr«, sagte ich leise, als wir unser Becken erreichten.
Er drehte sich zu mir um, wie immer sein typisches Lächeln im Mundwinkel. »Soll das heißen, dass ich dich schon wieder herausfordern muss, um ein wenig mit dir schwimmen zu können?«
Ich hatte das Gefühl, ein gutes Stück über dem Erdboden zu schweben. »Nein. Nein, das musst du nicht.«
Die nächste Dreiviertelstunde verging wie im Flug.
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