Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
konnte. So war er gezwungen, tatenlos zu beobachten, wie das hochschlagende Wasser über Nuwenaniederging, sie wie ein sein Kind umsorgender Vater umarmte und mit seinem schnellen Lauf mit sich riss. Wie ein Schiff, das Segel gesetzt hatte und sich fröhlich und unbekümmert im Wind treiben ließ, wurde sie bis in die Mitte des Gewässers getragen und anschließend von der kristallklaren Flüssigkeit verschluckt.
So wurde Nuwena, die Tochter Thingors, die schönste und gutherzigste aller Nolori, an die in den nachfolgenden Zeitaltern noch unzählige Lieder erinnern sollten, eins mit dem See, welcher nach ihr benannt wurde und der ihr als einziger an Reinheit und Unschuld gleichzukommen wusste. Niemals wieder haben die Länder Arthiliens ihr Antlitz gesehen, und niemals wieder hat ihre liebliche Stimme die Tiere und Bäume des Aím Tinnod zum Träumen gebracht.
Nachdem der in Weiß gekleidete Körper verschwunden war, war das Gewässer schlagartig wieder ruhig und stumm geworden. Furior Feuerzorn fühlte, dass die Schwere, die seine Beine wie getrockneter Lehm und Mörtel umklammert hatten, verflog und er sich wieder fortzubewegen vermochte, wenn ihm dies aufgrund der Last, die auf sein Gemüt drückte, auch erhebliche Mühe bereitete. Schweren Herzens verwarf er den Gedanken, noch einmal nach seiner Geliebten zu tauchen und zu versuchen, sie an Land zu verbringen, denn er wusste, dass dies aussichtslos war und sie sich außerdem eben dort befand, wo sie hingehörte nach ihrem Verscheiden. Freien Willens war sie in den Tod gegangen, da sie gewahrt hatte, dass sie demjenigen, was an diesem Tag geschehen war, in ihrer Zartheit niemals gewachsen sein würde. In Wahrheit hatte er, da er ihren Erwählten, der in zwei Tagen ihr Gemahl hätte werden sollen, tötete, sie damit auf dem Gewissen, ganz so als hätte er seine eigenen Hände um ihre Kehle geschlungen und sie erdrosselt.
Als der Elb endlich die sanfte Uferböschung erklommen hatte und klatschnass dort zum Sitzen kam, verschloss er die Augen und stieß einen lauten, hellen, das Mark eines jeden der nahen Bäume, Tiere und Steine durchdringenden Schrei aus. Dann rappelte er sich in seiner einsamen Verzweiflung auf und richtete seinen Blick hoch nach oben auf den wolkenfreien Himmel. Das von goldenen Schweifen durchflutete Blau, das er sah, zeigte weder Häme noch Mitgefühl, vielmehr erschien es einfach bloß vollkommen, ewig und ohne Anteilnahme an dem, was unter seinem Dach geschehen war, ebenso wie an den vielen anderen Tagen zuvor, an denen Nuwena noch unter den Lebenden geweilt hatte.
„Qaya menem shamah hengwa, qaya shamirah aos evelras?
Ino visanwas, qay ino lavenya lassi!
Numa sarma ve linorën fa mino, numo sidovën ve falminem,
Elnaí hengwa sa tinebram ve pennin fa mino, ollom fa munda,
Dai ye aod eltariê Nuwena, filima sindallod, kalima canto anifem,
Ya aod menem pallam elveni et e omarone linta!
Aldu, Aldu, qayem tu aod quirisa mino, hilda m’aod salinam milo tellinas?“ *
Nach seinem klagevollen Ausruf sank Furiors Haupt kraftlos auf seine Brust, während er seine Augen verschloss. Alles war nunmehr sinnlos für ihn geworden. Entfernt und verzerrt hörte er das Wiehern seines Pferdes, das treu auf ihn gewartet hatte und höchstwahrscheinlich nicht annähernd verstand, was sein Herr angerichtet hatte und nunmehr empfand.
Schließlich erhob er sich mit einem Ruck und zog als erstes seinen wasserdurchtränkten, blauen Mantel aus. Er verankerte das Kleidungsstück am Sattel seines Reittieres, das nur wenige Schritt hinter ihm in der Nähe eines Tulpenbaumes stand, dessen Zweige und Blüten mittlerweile wie vor tiefer Trauer tiefer zu hängen schienen. Danach sah er ein gutes Stück rechts von sich das Schwert, das er einst gefertigt und das seitdem so viel Unglück bewirkt hatte, unweit der Leiche Turgins noch immer am Boden liegen. In einem Anflug von Wut verwünschte er die Waffe und fühlte, dass er diese am liebsten zurücklassen würde. Dann aber besann sich der Elb, ging an die betreffende Stelle und nahm den schwarzen Gegenstand an sich. Die rotglühende Perle schien ihn wie zur Erwiderung zufrieden anzufunkeln.
Nun gab es hier nichts mehr für ihn zu tun. Die große Liebe seines Lebens war nicht mehr, und jener Ort hatte seinen Zauber für ihn verloren und erschien ihm einzig noch trist und leer. Er mochte einfach nur noch hinfortgehen, weg von der Erinnerung an Nuwena und an den Tod, den er gebracht hatte. Behänd sprang er auf
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