Die Zweierbeziehung
Organläsionen nach sich ziehen können.
Es kann sein, dass die Organkrankheit auch Ausdruckscharakter hat. Wie weit aber bei allen psychosomatischen Krankheiten mit Organläsion die Krankheit spezifischer Ausdruck einer definierten Persönlichkeitsstruktur in einer bestimmten Konfliktsituation ist, bleibt umstritten. Es wird auch ein organisches Entgegenkommen diskutiert. Sicher ist, dass psychischer Stress ganz allgemein zu einer Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes und der Abwehrkräfte des Organismus führen kann und damit den Ausbruch von Krankheiten aller Art zu begünstigen vermag.
Die Patienten mit psychosomatischen Organkrankheiten verhalten sich oft deutlich anders als diejenigen mit Konversionssymptomen und Affektäquivalenten, die, obwohl verbal gehemmt, oftmals über eine ausdrucksstarke Körpersprache verfügen und eine ausgeprägte Mimik und lebhafte Gestik zeigen. Auftretende Spannungen sind im Gespräch von nervösem Fingerspiel, Schwitzen, Erröten usw. begleitet. Patienten mit psychosomatischen Organkrankheiten dagegen wirken oft überkontrolliert, affektsteif, unverbindlich-freundlich, in Mimik und Haltung verspannt mit wenig Begleitbewegungen. Die konfliktneutralisierende Wirkung ist hier weniger fassbar als beim Konversionssymptom und Affektäquivalent, weil das Vorliegen eines eventuellen Paarkonfliktes meist verleugnet wird.
Stressleiden sind oft die Folge einer somatischen Dekompensation, nachdem der Bogen überspannt wurde und die psychischen Verarbeitungsmöglichkeiten erschöpft sind. Typische psychosomatische Stressleiden sind etwa Magenulcus, Colitis ulcerosa, primär chronische Polyarthritis und andere mehr.
Beispiel 33: Ein 44-jähriger Lagerarbeiter hatte früher einen verwahrlosten Lebensstil gehabt. Seine Arbeitsstellen hatte er immer wieder nach kurzer Zeit bei den geringsten Differenzen mit Mitarbeitern gekündigt. Zeitweise vagabundierte er herum, nächtigte im Freien und geriet ins Trinken. Er hatte verschiedene Gefängnisstrafen wegen Tätlichkeiten und Diebstählen absitzen müssen. Dann lernte er seine Frau kennen, die er vor 14 Jahren geheiratet hat. Seither hielt er sich äußerlich an einen untadeligen Lebenswandel: Er trinkt und raucht nicht mehr, verkehrt nicht mehr mit seinen früheren Kumpanen und geht abends nicht mehr aus, sondern sitzt vor dem Fernsehkasten. In den letzten 14 Jahren hat er nur einmal die Stelle gewechselt und ist an seiner jetzigen Stelle als stiller und fleißiger Arbeiter geschätzt. In seiner Beziehungsfähigkeit verarmte er aber. Er saß zu Hause missmutig und wortkarg herum, provozierte die Frau, sich um ihn zu kümmern, indem er sie zum Beispiel um Rat anging, wie er sich kleiden solle, um dann auf ihre Antwort gereizt zurückzugeben, sie wolle ihm immer nur befehlen, das lasse er sich nicht mehr bieten. Im Zornanfall schlug er sie, aber auch sich selbst. Seine Frau suchte Zuflucht bei einem Eheberater. Ein halbes Jahr vor der Behandlung bei uns verschwand die Frau mit der Tochter, die dem Vater besonders nahestand, mit unbekanntem Ziel in die Ferien. Der Patient ärgerte sich darüber. Er fühlte sich verlassen und frustriert. Kurz darauf setzten heftige Magenbeschwerden ein. Er musste internistisch hospitalisiert werden, wobei ein Magenulcus diagnostiziert wurde, das operiert werden musste. Es folgte ein Ulcusrezidiv. Der Patient magerte zunehmend ab. Es trat nun ein Ulcus pepticum jejuni, ein Dünndarmgeschwür auf, das weitere Operationen notwendig machte. Es kam zum allgemeinen Kräfteverfall. Bis er zu uns auf die Psychotherapiestation kam, war er über ein halbes Jahr fast dauernd hospitalisiert. Er galt überall als äußerst schwieriger Patient. Er beanspruchte insbesondere die Schwestern im Übermaß, stellte kaum zu erfüllende pflegerische Ansprüche, um sich trotzdem dauernd über deren Nachlässigkeit und Desinteresse zu beklagen. Offensichtlich übertrug er seine Ressentiments gegen die Frau nun auf die Schwestern. Einem psychotherapeutischen Gespräch war er kaum zugänglich, da er keine Konflikte sah und auch seine Beziehung zur Ehefrau als problemfrei darstellte. Seine Verstimmungen äußerten sich vor allem als Magen-Darm-Beschwerden. Auf die geringste Frustration reagierte er mit unerträglichen Schmerzen, die sich jeweils unter entsprechender Zuwendung bald wieder besserten. Der Ehekonflikt war nun auf den Konflikt mit dem Pflegepersonal verschoben worden. Eine psychotherapeutische Bearbeitung seiner Situation
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