Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
und doch eine Form von Leben. Es war, als ob mein Tastsinn sich ausgeweitet hätte, über meinen Körper hinaus, um alle anderen Formen von Leben ringsum zu spüren, diese schillernde Vielfalt, und ich ein Teil davon. Dieses Einssein bedauern? Diese allumfassende Wahrnehmung zurückweisen?
»Du bist, scheint’s, einer von der schweigsamen Sorte«, bemerkte Laurel. Mit einem Ruck stand sie wieder als Person in meinem Bewusstsein. So tief war ich in Gedanken versunken gewesen, dass ich die Frau neben mir beinahe vergessen hatte. Sie lächelte mich an. Ihre Augen waren hellblau, umschlossen von einem schmalen Ring dunkleren Blaus. In einer Iris, fiel mir auf, gab es merkwürdigen, von der Mitte zum Rand verlaufenden grünen Fleck. Was sollte einer von der schweigsamen Sorte darauf antworten? Ich zuckte stumm die Achseln und nickte. Ihr Lächeln wurde breiter.
»Bist du schon lange Leibjägerin Ihrer Majestät?« fragte ich, einfach nur, um etwas zu sagen.
Laurel blickte vor sich ins Leere, als sie in Gedanken nachrechnete. »Sieben Jahre inzwischen.«
»Aha. Dann kennst du sie gut.« Ich fragte mich, wie weit Kettricken sie über unsere Mission aufgeklärt hatte.
»Gut genug«, nickte Laurel und fast konnte ich in ihrem Gesicht lesen, wie sie sich die gleiche Frage über mich stellte.
Ich räusperte mich. »Fürst Leuenfarb begibt sich zur Vogeljagd nach Burg Tosen. Er hat eine Passion für das Sammeln von Federn.« Es war ein Köder.
Sie musterte mich aus den Augenwinkeln. »Fürst Leuenfarb hat viele Passionen«, bemerkte sie mit gesenkter Stimme. »Und die Mittel, ihnen zu frönen.« Jetzt war ihr Blick direkt, wie eine Herausforderung an mich, meinen Herrn zu verteidigen, doch falls ihre Worte eine Beleidigung enthielten, begriff ich sie nicht. Sie schaute wieder nach vorn, auf die Straße. »Was mich angeht, ich reite mit, um zu sehen, wie es dort um die Jagd bestellt ist. Die Königin geht im Herbst gern auf Federwild. Ich hoffe in den Wäldern von Tosen die Art zu finden, die sie am liebsten mag.«
»Das hoffen wir alle«, pflichtete ich ihr bei. Ihre Vorsicht gefiel mir. Wir würden gut miteinander auskommen, jedenfalls soweit es mich anging.
»Kennst du den Fürsten schon lange?«, fragte sie mich.
»Eigentlich nicht. Ich hatte gehört, dass er einen Leibdiener sucht und war froh, als ein Bekannter mich ihm empfahl.«
»Dann warst du vor ihm bei einem anderen Herrn in Dienst?«
»Das ist lange her. In den vergangenen zehn Jahren habe ich ganz zurückgezogen gelebt, allein mit meinem Sohn. Doch er ist jetzt so weit, dass ich ihn in die Lehre geben will und dazu braucht es bare Münze. Ich wusste keine schnellere Möglichkeit Geld zu verdienen.«
»Und seine Mutter?«, erkundigte sie sich beiläufig. »Wird sie sich nicht einsam fühlen, ohne Mann und Sohn?«
»Sie ist seit vielen Jahren nicht mehr bei uns«, sagte ich. Dann fiel mir ein, dass Harm früher oder später den Weg zur Burg hinauffinden würde, und ich beschloss, so dicht wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben. »Er ist ein Pflegling, den ich aufgenommen habe. Wer seine Mutter war, weiß ich nicht. Aber ich betrachte ihn als meinen Sohn.«
»Dann bist du nicht verheiratet?«
Die Frage überraschte mich. »Nein, bin ich nicht.«
»Ich auch nicht.« Sie schenkte mir ein kleines Lächeln, das ausdrückte, damit hätten wir viel gemeinsam. »Und, wie gefällt dir Bocksburg bis jetzt?«
»Recht gut. Als Kind habe ich in der Nähe gewohnt. Es hat sich vieles verändert.«
»Ich komme aus Tilth. Im Branedee Venn bin ich aufgewachsen, obwohl meine Mutter aus den Bocksmarken stammte. Ihre Familie lebte nicht weit von Tosen; ich kenne die Gegend, weil ich als Kind dort herumgestromert bin. Doch meistens lebten wir in der Nähe des Venn, wo mein Vater Jagdmeister bei Lord Sitzwohl war. Mein Vater lehrte meine beiden Brüder und mich, was ein Jäger können muss. Als er starb, übernahm mein älterer Bruder seinen Posten. Mein jüngerer Bruder zog zu der Familie unserer Mutter. Ich blieb und ritt für Lord Sitzwohl die Jagdpferde zu. Doch als die Königin und ihr Hofstaat vor Jahren dort zur Jagd weilten, ging ich als Helfer mit hinaus, weil die Gesellschaft so groß war. Die Königin fasste eine Zuneigung zu mir und«, – sie lächelte stolz –, »seither diene ich ihr als Leibjägerin.«
Ich zerbrach mir den Kopf, was man noch reden könnte, als der Fürst uns zu sich winkte. Nachdem wir zu ihm aufgeschlossen hatten, verkündete er:
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