Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
ungünstiger nicht sein konnte. Er brauchte Nahrung und Zeit, um zu genesen, nicht die Anstrengung eines nächtlichen Gewaltmarschs.
Ich halte mit euch Schritt. Oder du lässt mich zurück und tust, was getan werden muss.
Sein Fatalismus beschämte mich. Diese Opferbereitschaft hatte zu viel gemein mit dem Handeln des Mannes, der heute sein Leben für das des Prinzen gegeben hatte. Wieder einmal vergeudete ich unser beider Kraft für einen König und eine Sache. Der Wolf schenkte mir seine Lebenszeit für eine Verpflichtung, deren Bedeutung er nicht verstand, nur unter dem Vorzeichen seiner Liebe zu mir. Rolf Schwarzbart hatte Recht gehabt seinerzeit. Es war falsch von mir, Nachtauge auf diese Weise zu benutzen. Ich gab mir selbst ein Versprechen, wie Kinder es tun, dass ich ihn dafür entschädigen würde, irgendwie. Wir würden hingehen, wo er hingehen wollte, und tun, wozu er Lust hatte.
Unsere Hütte und der Kamin. Das wäre genug für mich.
Es gehört dir.
Ich weiß.
Wir mieden die belebteren Gassen und erreichten die Schänke auf einem Umweg. In der Dunkelheit des Herbergshofs näherte Laurel den Mund meinem Ohr und flüsterte: »Ich schleiche mich nach oben und hole meinen Packen. Du weckst deinen Herrn und sagst ihm, dass wir aufbrechen.«
Sie tauchte in die Schatten um die Hintertür. Ich betrat das Haus durch den Vordereingang und durcheilte die Schankstube mit der griesgrämigen Miene des gescholtenen Dieners. Zu dieser fortgeschrittenen Stunde war die ausgelassene Stimmung umgeschlagen in Weltschmerz und trunkene Melancholie. Keiner der Anwesenden nahm Notiz von mir. Ich hastete zu unserem Gemach. Schon vor der Tür hörte ich erregte Stimmen. Fürst Leuenfarb entrüstete sich mit aristokratischem Igitt: »Wanzen, guter Mann! Scharenweise. Ich habe sehr empfindliche Haut. Ich teile nicht das Logis mit diesen eklen Biestern!«
Unser Wirt, in Nachthemd und -mütze, mit einer brennenden Kerze bewaffnet, war erschüttert. »Bitte, Euer Gnaden, ich kann frisches Bettzeug bringen lassen, wenn Ihr …«
»Nein, nein, nein. Unter keinen Umständen werde ich hier in die Nacht verbringen. Mach Er mir auf der Stelle die Rechnung fertig.«
Ich klopfte an. Bei meinem Eintritt wurde ich zur Zielscheibe des fürstlichen Zorns. »Da ist Er ja, nichtsnutziger Flaneur, der Er ist. Treibt sich draußen herum, während ich meine Tasche packen muss und seine noch dazu. Hopp, hopp, mach Er sich wenigstens jetzt noch nützlich! Spute Er sich und klopfe an Jagdmeisterin Laurels Tür und richte ihr aus, dass wir sofort aufbrechen. Dann wecke Er den Stallknecht, dass er unsere Pferde sattelt. Unmöglich kann ich die Nacht in einer Herberge verbringen, in der Ungeziefer der gemeinsten Sorte Wohnung genommen hat!«
Ich eilte hinaus, hinter mir verklangen die Beteuerungen des unglücklichen Wirts, er führe ein ehrbares, reinliches Haus. In erstaunlich kurzer Zeit standen wir alle drei im Hof, bereit zum Aufbruch. Ich hatte die Pferde selbst gesattelt, da es mir nicht gelungen war, den Knecht zu wecken. Der Wirt war Fürst Leuenfarb in den Hof gefolgt und versicherte ihm, er würde heute Nacht kein anderes Unterkommen finden, aber Seine Gnaden blieb hart. Ohne ein Wort zu uns, stieg er auf und ließ Malta vom Hof gehen. Laurel und ich taten es ihm gleich.
Eine Zeit lang ritten wir im Schritt die Straße entlang. Der Mond war aufgegangen, aber die dicht stehenden Häuser bildeten einen Wall gegen sein Licht, und der Lampenschein, der hier und dort durch die Fensterläden sickerte, erhellte uns nicht die Dunkelheit, sondern schuf verwirrende Schatten. Der Fürst begann mit gedämpfter Stimme zu sprechen. »Ich hörte das Gerede in der Schankstube und hielt es für das Beste, dass wir ohne Säumen aufbrechen. Sie sind auf der Straße geflohen.«
»Im Dunkeln laufen wir Gefahr zu übersehen, wo sie die Straße verlassen«, gab ich zu bedenken.
»Ich weiß. Andererseits, wenn wir bis zum Morgen warten, kommen wir möglicherweise zu spät, um mehr zu tun, als seine sterblichen Überreste der Erde zu übergeben. Davon abgesehen, keiner von uns fand Ruhe, um zu schlafen, und auf diese Weise gewinnen wir einen Vorsprung vor denen, die morgen früh losreiten.«
Wie aus dem Nichts tauchte Nachtauge auf und schwenkte neben uns ein. Ich spürte zu ihm hin und als die Alte Macht zwischen uns wirkte, schien die Dunkelheit heller zu werden. Der von uns aufgewirbelte Staub reizte ihn zum Niesen, er trabte an die Spitze und übernahm
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