Die Zwillingsschwestern
Flüchtling vor der »Befreit-unsere-Städte-von-Mißw irtschaft« -Aktion, der hier — wie ich den Eindruck hatte — ein passendes Versteck gefunden haben
mochte.
Er trug
ein ausgewaschenes Baumwollhemd und ausgewaschene Jeans, die von einem Paar
ramponierter Hosenträger mit überdimensionalen Nickelschnallen, auf denen Feuerwehr stand,
gehalten wurde. Eine weiße Haarmähne krönte ein dünnes, ausgemergeltes Gesicht.
Und wenn er grinste, hätte man am liebsten weggeschaut. Er hieße Walnuß, sagte
er, und wenn er nicht schon einen Knacks hatte, dann würde das nicht mehr lange
auf sich warten lassen.
»Wußte
doch, daß mit diesem Davis was nicht in Ordnung ist«, verkündete er mit
schrillem Falsett, nachdem Polnik ihm gesagt hatte, wer wir seien. »Ist mir
gleich aufgefallen!«
»Wegen
seines Aussehens?« fragte ich. »Tat er etwas Besonderes?«
Walnuß
schüttelte den Kopf. »Er ist allein hierhergekommen«, sagte er einfach.
»Was
ist denn daran so komisch?«
»Ohne
Mädchen.«
Polnik
warf mir einen wissenden Blick zu und tippte vielsagend mit dem Zeigefinger an
die Schläfe. Ich konnte es jedoch nicht dabei bewenden lassen.
»Ohne
Mädchen?« fragte ich Walnuß. »Hat das denn etwas zu bedeuten?«
»Sehen
Sie, Leutnant«, erklärte er geduldig, »die einzigen Leute, die einen Bungalow
bei mir mieten möchten, sind Kerle mit Mädchen. Alte Knacker mit jungen
Mädchen, Burschen mittleren Alters mit jungen Mädchen und manchmal sogar ein
junger Kerl mit einem jungen Mädchen. Aber alle haben sie ein Mädchen dabei.
Warum sollten sie sonst in ein heruntergekommenes Bums wie dieses
herauskommen?«
Er
gackerte erleichtert und stieß mir seinen spitzen Ellbogen schmerzhaft in die
Rippen. »Nichts zu machen. Ich dachte mir gleich, daß mit diesem Davis etwas
faul sei, als ich ihn zum erstenmal sah — ohne Mädchen!«
»Sie sollten
nicht soviel an Mädchen denken«, ermahnte ich ihn. »In Ihrem Alter—«
Er
begann wieder zu gackern, und dieses Mal war ich auf seine kameradschaftliche
Geste vorbereitet und wich dem knochigen Ellbogen gewandt aus. »So alt bin ich
gar nicht!« triumphierte er. »Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie doch
die Witwe Smee, die ein Stück weiter unten an dieser Straße wohnt. Wenn ich
nicht wäre, wüßte sie nicht, was sie in den langen Winternächten tun sollte.
Tja, Sir.«
Wir
warteten vor dem letzten Bungalow, während er ihn aufschloß; dann gingen wir
hinein. Polnik schaute Walnuß über die Schulter und schien enttäuscht zu sein,
als er darin nicht auf noch eine Leiche stieß. Ich gab Polnik einen Wink, er
warf sich mannhaft in die Brust und drückte Walnuß bei dieser Gelegenheit zur
Tür hinaus.
»Der
Kerl ist eine taube Nuß, Leutnant«, sagte er.
»Klar«,
bestätigte ich ihm, »eine taube Walnuß.«
Wir
brauchten nicht lange, um den Bungalow zu durchsuchen. Howard Davis hatte
seinen Koffer zurückgelassen, in dem sich ein Anzug, zwei Hemden, Unterwäsche
zum Wechseln und ein paar Socken befanden. In einem Schub der Kommode fanden
wir einen Brief, der in San Francisco aufgegeben und an Davis unter einer
Anschrift in San Francisco adressiert war. Das Aufgabedatum war etwas mehr als
eine Woche alt.
Ich zog
den Brief aus dem Umschlag und las:
Lieber
Howard!
Du
schuldest mir jetzt für fast sechs Monate die Unterhaltszahlungen, und ich
werde Deine Lügen nicht länger glauben. Falls Du den gesamten Betrag nicht
innerhalb von drei Tagen zahlst, werde ich veranlassen, daß Du hinkommst, wo Du
hingehörst — hinter Gitter.
Bemühe
Dich gar nicht, mich anzurufen, um mir noch mehr Lügen zu erzählen, denn ich
höre Dir nicht mehr zu. Du kannst mit meinem Anwalt oder mit der Polizei sprechen,
wenn es Dir Spaß macht. Und versuche nicht davonzulaufen, denn ich werde Dir
überallhin folgen. Du entkommst mir nicht, und jeder Versuch ist zwecklos!
Freundliche
Grüße Thelma
Polnik
schnaufte bei dem Bemühen, den Brief über meine Schulter hinweg zu lesen,
geräuschvoll in mein Ohr.
»Das
mit den freundlichen Grüßen gefällt mir«, sagte ich. »Ich frage mich, wieviel
Frauen der Kerl nun hatte.«
»Glauben
Sie, daß ihn diese Puppe umgelegt hat, Leutnant?« Polniks Stimme klang
selbstzufrieden. »Ich sagte Ihnen ja, daß wir früher oder später doch auf
Weiber stoßen würden!«
»Wer
weiß«, sagte ich. »Durchstöbern Sie einmal die restlichen Schubladen und sehen
Sie nach, ob Sie etwas finden.«
Ich
zündete eine Zigarette an, während
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