Dienstags ist sie nie da - Roman
Androide werden, wie alle anderen Frauen in ihrem Bekanntenkreis, die schwanger geworden waren. Sie war fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass ihre und Bens Persönlichkeit sich durch die Schwangerschaft veränderten – und ihre Beziehung auch nicht. Das Leben würde ganz normal weitergehen.
Normal war jedoch nicht das Wort, das ihr in den Sinn kam, als sie am Tag nach dem Geburtsvorbereitungskurs in die Arbeit kam. Ein zweiter potentieller Vater, der in der fünfunddreißigsten Schwangerschaftswoche auftauchte, wurde mit Sicherheit nicht in dem Schwangerschaftsratgeber behandelt, den die Hebamme ihr mitgegeben hatte. Und Ratschläge, wie man seiner eigenen Babyfete entgehen konnte, die zu ihrem Entsetzen für diesen Tag angesetzt war, standen da auch nicht drin. Sie wusste, dass sie absolut keine Chance hatte, sich zu drücken, da alle in ihrem Büro überraschend begeistert von der Aussicht gewesen waren, ein Fest für sie zu schmeißen, um die bevorstehende Geburt zu feiern.
»Eine Babyfete ist so eine Art moderne Hochzeitsfeier, meine Liebe«, erklärte Daniel, als sie ihrer Verwunderung über die aufwändigen Einladungen, die er gestaltet hatte, Ausdruck verlieh.
»Aber es sind doch bloß ein paar Leute aus der Firma, die auf einen Drink mit ein bisschen was zum Knabbern gehen, oder?«, fragte Katy.
»Töricht, Katy, töricht. Wie töricht anzunehmen, dass ich, der unvergleichliche Creative Director dieses sagenhaften Etablissements, die Chance verstreichen lasse, mein gigantisches kreatives Talent an einem so kitschigen und vom Leben eines schwulen Mannes so weit entfernten Ereignis wie einer Babyfete auszuleben.«
»Aha, verstehe; du fühlst dich bei diesem ganzen Fortpflanzungskram ein wenig außen vor, und deshalb tust du dein Bestes, um ihm einen schwulen Anstrich zu geben. Und nebenbei bemerkt: echt super, dass ich auf der Vorderseite der Einladung eigentlich Judy Garland zur Welt bringe.«
»Gern geschehen. Natürlich habe ich Kylie in Betracht gezogen, aber es ist völlig unmöglich, dass eine derart zierliche Frau von deinen Genen abstammen könnte.«
»Du hast absolut recht, Kylie wäre total lächerlich gewesen«, hatte sie damals nichtsahnend gesagt; Kylie auf die Welt zu bringen wäre ihrer jetzigen Situation allerdings wahrhaftig vorzuziehen gewesen.
Katy seufzte tief, als sie ihre Tasche packte, durch die Tür der Agentur spazierte und dabei ein aufgesetztes, breites Lächeln auf ihr Gesicht zauberte, um die Illusion einer Frau zu verbreiten, die alles unter Kontrolle hat.
Ihr Lächeln erstarb just in dem Moment, als sie das Restaurant im vierten Stock von Harvey Nichols betrat und sich selbst in mindestens 1,80 Meter Größe in Hochglanz von der Decke herabhängen sah. Eigentlich war das Foto von ihr ziemlich umwerfend, sah man einmal von
der Tatsache ab, dass sie auf den Körper von Demi Moore montiert worden war, hochschwanger, gänzlich nackt – das berühmte Foto, das in den Neunzigerjahren das Cover von Vanity Fair geziert hatte.
Daniel stand mit einem extrem selbstzufriedenen Grinsen daneben. Er stürzte auf sie zu, sobald er sie sah.
»Da bist du doch hin und weg, oder, Katy? Du hast nie besser ausgesehen«, sagte er atemlos.
»Großartig. Du willst mir also weismachen, dass ich mit meinem Kopf auf dem schwangeren Körper einer anderen Frau am besten aussehe?«, erwiderte Katy verwundert.
»Aber schau dir doch nur dein Gesicht an! Colin aus der Reproabteilung hat es stundenlang bearbeitet. Er hat die ganze Dienstagnacht gebraucht, nur um deinen Teint so hervorzubringen. Aber das Ergebnis ist spektakulär. Sieh nur, wie du aussehen könntest, wenn du Gesichtsbehandlungen ernst nehmen und nur ein wenig gut investiertes Geld für Schönheitsprodukte ausgeben würdest.«
»Daniel, du bist ein wahrer Freund. Erinnere mich, dich anzurufen, falls ich einmal jemanden brauche, der mich überzeugt, dass Selbstmord mein einziger Ausweg ist«, sagte sie und drehte sich um.
Normalerweise hätte ihr das Geplänkel mit Daniel einen Riesenspaß bereitet, heute allerdings nicht. Sie strich sich über ihr Designer-Schwangerschaftskleid, das sie erstanden hatte, um ihren Kollegen zu demonstrieren, dass eine Schwangerschaft nicht automatisch bedeutete, nicht mehr cool zu sein. Aber zu ihrem eigenen Entsetzen konnte sie spüren, wie ihr die Tränen aufstiegen, als sie auf den Tisch zuging, der geschmackvoll mit weißen Maraboufedern dekoriert war; sie umrahmten eine Flottille von
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