Dienstags ist sie nie da - Roman
schleuderte ihre Schuhe von den Füßen – eine Weigerung, sie ordentlich auf das Schuhregal zu stellen, das man zur Bequemlichkeit der Gäste aufgestellt hatte.
»Meinst du wirklich, dass Al meine stinkenden, löchrigen Fußballsocken lieber hat?«, meldete sich Ben zu Wort, fuchtelte mit seinem linken Fuß in der Luft herum und deutete auf eine durchgescheuerte Socke, aus der sein großer Zeh hervorlugte.
»Kommt rein«, sagte Matthew, wobei er Ben ignorierte. »Alison trifft nur noch die letzten Vorbereitungen in der Küche.«
»Hey Kumpel, willst du mir nicht jetzt dieses Programmheft
zeigen – nur für den Fall, dass ich nachher zu betrunken bin, um dieses Stück Geschichte, das ich in den Händen halten werde, auch wirklich zu würdigen?«, fragte Ben, als sie zum Wohnzimmer durchgingen.
»Warum nicht«, antwortete Matthew, als hätte er eben erst bemerkt, dass Ben auch da war. »Komm mit in mein Büro. Wir sind in einer Minute wieder da, Katy.«
Katy stand in der Mitte eines Wohnzimmers, das fast acht Meter lang sein musste; sie fühlte sich verloren und unsicher, was sie tun sollte. Bedächtig sah sie sich um, bewunderte zuerst das wunderschöne niedrige Designersofa mit den weichen kamelbraunen Wildlederkissen, die symmetrisch in den beiden Ecken angeordnet waren. Dann bemerkte sie die hypermoderne Stehlampe, die sie schon einmal in einem sehr teuren Designerladen in Leeds gesehen hatte; sie vollführte einen graziösen Schwung in die Mitte des Raumes und schwebte über einem perfekt antik anmutenden Beistelltisch. Ein superschlankes Bose-Sound-System stand auf einem Glasregal und verströmte wunderbar beruhigende Klänge, als sie zum anderen Ende des Zimmers ging und mit ihrer Hand über die breiten Bahnen satt schokoladenbrauner Wildseide strich, die an massiven Vorhangstangen aus Holz hingen. Sie schob die Vorhänge behutsam zur Seite und spähte auf den perfekt gemähten, angestrahlten Rasen hinaus. Dann drehte sie sich um und schlenderte in die Mitte des Wohnzimmers zurück. Sie überlegte sich gerade, wo sie als Nächstes herumspähen könnte, als ihre Augen an zwei beeindruckend großen, plastisch geformten Kerzenständern hängenblieben, die das obligate Sammelsurium an Fotografien auf dem Kaminsims rahmten.
Sie sog scharf den Atem ein.
Das war es, Matthews Leben. Das Leben, das er nicht mit ihr, sondern mit Alison gelebt hatte. Zusammengefasst in einem halben Dutzend Bildern, gerahmt – wie passend – in dezentem, gebürstetem Chrom.
Langsam ging sie auf den Kaminsims zu, etwas unsicher, ob sie das wirklich sehen wollte, und noch unsicherer, weshalb sie eigentlich unsicher war.
Die Fotos waren wie erwartet: ein wildes junges Paar bei einem Date auf einer Party. Der erste gemeinsame Sommerurlaub. Der erste gemeinsame Skiurlaub. Der erste gemeinsame Ball. Die erste Profiaufnahme war vermutlich das Verlobungsfoto. Und natürlich ein prächtiges Hochzeitsfoto.
Katy bemerkte, wie sie auf jedem Foto Matthews Gesicht studierte. Sie sah auf seine Augen, seinen Mund und dann auf seine Körpersprache. Sie wollte wohl herausfinden, ob er glücklich wirkte. Glücklich mit seinem Leben nach Katy.
Sie fuhr zusammen, als Alison den Raum betrat.
»Bitte entschuldige, ich habe nur noch schnell ein paar Häppchen fertig gemacht«, erklärte sie, während sie zwei Platten mit Essen auf den Wohnzimmertisch stellte.
»Nette Fotos«, brachte Katy schließlich mühsam hervor, ratlos, was sie sonst sagen sollte.
»Ach, danke dir. Unser Hochzeitsfoto gefällt mir wirklich sehr – es ist genau so, wie wir sind.«
Katy blickte erneut auf den größten Rahmen und sah sich das künstlerische Schwarz-Weiß-Foto genauer an. Matthew und Alison standen auf der Treppe eines Gebäudes, das wie ein Schloss aussah, und sahen einander in die Augen.
»Wo habt ihr geheiratet?«, fragte sie zögerlich, denn sie wusste nicht recht, ob ihr der Gegenstand der Unterhaltung gefiel.
»Wir haben dieses wunderbare Schloss mit eigener Kapelle in Hampshire entdeckt. Es war schlichtweg perfekt. Aber der Aufwand, das richtige Ambiente zu finden, war enorm. Wir haben wochenlang nichts als Lokalitäten besichtigt, bis wir dann zufrieden waren. Ich habe immer noch einen so dicken Ordner mit all den Lokalitäten, die wir uns angesehen hatten. Solltest du also je darüber nachdenken, ins kalte Wasser zu springen, dann weißt du, an wen du dich wenden kannst. Ihr seid doch nicht verheiratet, Ben und du, oder?«
»Nein, aber
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