Dienstanweisungen für einen Unterteufel
aber immerhin gut sein, wenn Du alles hinter Schloß und Riegel verwahrst.
Die Wahrheit ist die: Die Bemerkung, der Feind liebe die Menschen wirklich, entschlüpfte mir aus lauter Unachtsamkeit. Natürlich ist dies ganz unmöglich. Er ist ein Wesen, und sie sind von Ihm unterschieden. Ihr Gut kann nicht das Seinige sein. All Sein Gerede von der Liebe muß also ein Deckmantel für ganz andere Dinge sein. Es muß für Ihn ein triftiges Motiv vorliegen, daß Er sie erschuf und sich ihrethalben so viel Mühe macht. Daß unsereiner so zu reden veranlaßt wird, als hätte Er diese unmögliche Liebe wirklich, kommt davon her, daß es uns einfach vollkommen unmöglich ist, das eigentliche Motiv ausfindig zu machen. Was hat Er mit ihnen im Sinn? Das ist die unlösbare Frage. Ich sehe nicht ein, was es schaden könnte, wenn ich Dir verrate, daß hauptsächlich dieses Problem den Streit zwischen Unserem Vater und dem Feinde entfachte. Schon als die Erschaffung des Menschen zum erstenmal erörtert wurde, bemerkte der Feind unverblümt, daß Er eine gewisse Episode um ein Kreuz vorgesehen habe. Unser Vater suchte natürlich sogleich um eine Unterredung nach und verlangte nähere Auskunft über die Sache. Der Feind jedoch gab keine Antwort, mit der Ausnahme jenes Ammenmärchens von der selbstlosen Liebe, die Er ja seither ununterbrochen in Umlauf hält. Das konnte Unser Vater natürlich nicht annehmen. Er flehte den Feind an, seine Karten offen auf den Tisch zu legen, und gab Ihm auch jede Gelegenheit dazu. Er gab zu, daß es ihm wirklich sehr darum zu tun sei, das Geheimnis kennenzulernen. Der Feind antwortete: „Ich wünsche von ganzem Herzen, daß Du es kennenlernen könntest.“ Ich stelle mir vor, als die Unterredung an diesem Punkt angelangt war, bestimmte der Ekel vor solch grundlosem Fehlen jeglichen Vertrauens Unsern Vater, eine unendliche Distanz zwischen sich und die Gegenwart zu setzen, und das mit einer Plötzlichkeit, die zu jener lächerlichen Geschichte des Feindes Anlaß gab, er sei gewaltsam aus dem Himmel hinausgeworfen worden. Seither haben wir zu sehen angefangen, warum unser Bedrücker so geheimnistuerisch war. Sein Thron hängt von diesem Geheimnis ab. Leute seiner Partei haben schon hin und wieder offen zugegeben, daß, wenn wir nur begreifen würden, was Er unter Liebe versteht, der Kampf im Nu zu Ende wäre und wir wieder in den Himmel zurückkehren könnten. Darin liegt also die große Aufgabe. Wir wissen bestimmt, Er kann nicht wirklich lieben – niemand kann es –, es ist einfach sinnlos. Wenn wir nur ausfindig machen konnten, was Er tatsächlich im Schilde führt! Eine Hypothese nach der andern ist geprüft worden, und noch sind wir keinen Schritt weiter. Wir dürfen jedoch die Hoffnung nie aufgeben! Immer raffiniertere Theorien, immer vollständigere Sammlungen von Tatsachen, reichere Belohnungen für erfolgreiche Forscher, immer noch schrecklichere Strafen für jene, die nichts erreichen – das alles, bis zum Ende der Zeit verfolgt und beschleunigt, kann sicherlich nicht verfehlen, endlich den gewünschten Erfolg zu bringen.
Du klagst, mein letzter Brief mache nicht deutlich, ob ich das Verliebtsein als einen für die Menschen wünschbaren Zustand ansehe oder nicht. Aber, Wormwood, das ist eine Frage, die man von Menschen erwartet! Überlasse es ihnen, zu diskutieren, ob „Liebe“ oder Patriotismus oder Ledigsein oder Kerzen auf dem Altar oder Antialkoholismus oder Erziehung „gut“ oder „böse“ sind. Siehst Du nicht, daß es keine Antwort gibt? Nichts spielt eine Rolle außer der Tendenz einer gegebenen Geistesverfassung unter gegebenen Umständen, einen bestimmten Patienten in einem bestimmten Moment näher an den Feind oder näher an uns heranzubringen. Daher wäre es ganz gut, den Patienten entscheiden zu lassen, ob „Liebe“ „gut“ oder „böse“ ist. Handelt es sich um einen anmaßenden Menschen, der den Körper tatsächlich aus Überempfindlichkeit verachtet, das aber fälschlicherweise mit sittlicher Reinheit verwechselt, und der sich ein Vergnügen daraus macht, zu bespötteln, was seine Mitmenschen gutheißen, dann lasse ihn sich unter allen Umständen gegen die Liebe entscheiden. Flöße ihm ein übertriebenes Asketentum ein, und wenn Du seine Sexualität von allem getrennt hast, was sie humanisieren könnte, bedränge ihn damit, und zwar in einer viel brutaleren und zynischeren Form. Handelt es sich jedoch um einen leichtgläubigen, gemütvollen Menschen, dann
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