Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
Whiskygläsern, zwischen den Fingern der Rechten steckte eine brennende Zigarette. Kein Anblick zum Staunen. Rose hatte mich informiert. Ein großzügiges Etablissement war das hier. Spirituosen gab es, eine Tanzfläche und die Erlaubnis zu sexueller Freizeitbetätigung.
Als ich mich seitwärts annäherte, erkannte ich, dass des Barmanns Erektion im Mund einer Frau steckte. Gleichmäßig und zielgenau saugten die Lippen. Einige Besucher schauten zu, eher kühl und beiläufig interessiert. Keiner, der hitzig und heimlich herüberschielte. Andere hatten selbst zu tun. Eine ruhige, entspannte Atmosphäre. Nur unterbrochen vom leisen Schmatzen erregter Körperteile. Auf dem Boden lagen Cocktailkleider, Männerhosen, Büstenhalter und Seidenkrawatten.
Der Barmann war schön und gefiel mir nicht. Sein zynischer Mund versprach nichts Warmes für Rose. Außerdem war er geschmacklos. Ohne irgendwelche Prioritäten zu setzen, stöpselte er seinen Bananenstecker in jede verfügbare weibliche Öffnung. Dass sich meine Freundin ausgerechnet auf einen routinierten Sextäter kaprizierte, das lehrte mich einmal mehr, dass ich von Frauen nichts wusste und eher in Fort Knox eindringen würde als in die Widersprüche ihrer Wünsche.
Ich begann zu tanzen. Rose war momentan nicht zu helfen. Meine Warnschüsse hatte sie überhört, keine Macht der Erde war jetzt stärker als die Sehnsucht nach diesem Barmann.
Der Abend nahm eine überraschende Wendung. An der Theke stand jetzt Monsieur Danger, der mir seine Visitenkarte reichte, als ich ihn ansprach. Beeindruckend, Repräsentant einer deutschen Lastwagenfirma in Frankreich. Ein seltsamer Franzose. Sogleich fing er an, sein eigenes Land zu verteufeln und das Hohe Lied auf Allemagne zu singen: »l’ordre, la discipline, l’efficacité!« Der Eiferer musste mich missverstanden haben, denn alles, was ich von ihm wollte, war die Frau neben ihn. Als Tänzerin. Mehrmals hatten die beiden zusammen getanzt und es war unübersehbar, wie elegant und begabt die Schöne sich bewegte. Aber Danger ging auf meinen Wunsch nicht ein. So zog ich mich (taktisch) zurück, bedankte mich und tanzte allein. Ich wollte cool bleiben, wollte abwarten, die Nacht war ja noch lange nicht vorbei.
Gegen drei Uhr morgens wurde es ruhiger. Kein Sex mehr. Man unterhielt sich, jeder hatte alle Kleidungsstücke am Leib, Rose küsste den Barmann. Jetzt bat ich den unwirschen Danger noch einmal um den Tanz mit Isabelle, die mir längst verstohlen zugesagt hatte. Lange genug hatte ich mich schlachten lassen von den wilden, antifranzösischen Tiraden des Autohändlers.
Die Frau gehörte ihm, das stand fest. So war auch die Geste zu verstehen, mit der er mich endlich mit ihr entließ. Wie zwei losgelassene Kinder steuerten wir Richtung Tanzfläche.
Wir hatten die vier mal drei Quadratmeter ganz für uns. Und ich hatte mich nicht getäuscht. Zu jeder Drehung, zu jedem Schritt war sie federleicht zu verführen. Dennoch trennte ich bald unsere Körper, denn ich wollte sie schlängeln und kreiseln sehen.
Glückliche Entscheidung. Noch während sie sich von mir löste, öffnete sie den Gürtel und zog sich mit einer einzigen Bewegung das Kleid vom Körper. Hundertfünfundsiebzig Zentimeter nackte, bronzeschimmernde Menschenhaut kamen zum Vorschein. Ich behielt die Nerven und tanzte weiter. Wie sie. Ich registrierte die gespreizten Männeraugen, die von der Bar herüberflogen, bemerkte die eigene Anstrengung, nur ja nichts auszulassen: nicht den anmutigen Frauenleib, nicht ihr seliges Gesicht, nicht den Augenblick, in dem sie in Trance fiel und mit geschlossenen Augen zu schweben anfing. Jäh kam ein Hauch Erotik in dieses Mitternachtsbordell.
Nur einer verstand nicht. Aber immerhin hatte er eine märchenhafte Viertelstunde lang gebraucht, um zu begreifen, dass er nicht verstand. Erst dann bezog Danger entschlossen Stellung neben der Tanzfläche und wartete grimmig auf das Ende des Lieds. Aber seine Contenance hielt nicht durch. Aus den Augenwinkeln spähend, sah ich ihn plötzlich auf mich losmarschieren, begleitet von seiner Stimme, die mich nun ätzend verfluchte. Aber es war nicht ich, den er vermaledeite, nein, meine Hände (»Vos mains! Vos mains!«), denen er schamlose Versuchung und die Kraft der Manipulation unterstellte. Während ich mir mühselig ein Grinsen verbat, antwortete ich wahrheitsgemäß, dass ich selbstverständlich nicht die geringste Macht über irgendjemanden besäße. »Natürlich nicht«, fuhr er
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