Diese Nacht darf niemals enden
wahres Gesicht gezeigt hat“, schnaubte sie. „Ich habe es ja schon vorher gewusst, aber jetzt hast selbst du es erkannt, so blind wie du ihm gegenüber auch warst.“ Und Imogen hielt es selbstverständlich für die beste Art, Guy de Rochemont zu vergessen, wenn Alexa ihn einfach durch Richard Saxonby ersetzte.
Für Alexa jedoch war es keineswegs so einfach. „Es wäre Richard gegenüber nicht fair. Und überhaupt …“, sie atmete tief durch, „… ich will nicht in London bleiben. Es ist zu …“
Gefährlich, hatte sie sagen wollen. Sicher, sie konnte Schlösser und Telefonnummern wechseln, aber dadurch hätte sie sich nicht sicherer gefühlt.
Imogen sprang sofort darauf an. „Du hast recht. Ein Tapetenwechsel, das ist es, was du brauchst. Ein Urlaub! Du warst ewig nicht mehr in Urlaub. Am besten fliegst du in die Tropen – die Karibik. Oder die Malediven. Wie wär’s mit den Seychellen? Wir fliegen zusammen“, fuhr sie hastig fort, als sie Alexas Miene sah. „Ich kann alle Termine verschieben, es gibt nichts, was so dringend bei mir wäre. Wir suchen uns zusammen etwas im Internet aus und buchen. Morgen schon können wir am Flughafen stehen!“
„Ich glaube nicht …“ Was Imogen da vorschlug, war das Letzte, was Alexa wollte.
„Doch, das ist genau das Richtige für dich. Eine andere Szene, nur Ruhe, Faulenzen und Erholung. Alles hinter sich lassen – vor allem diesen ehebrecherischen Widerling.“
Aber Alexa schüttelte den Kopf. „Ich will ganz aus London wegziehen.“
„Du kannst nicht einfach wegrennen! Und warum solltest du? Er ist der Betrüger. Und was soll aus deinen Aufträgen werden?“
„Mit dem letzten bin ich fast fertig. Die anderen kannst du zurückgeben.“
Imogen kaute an ihrer Lippe. „Ich werde nicht zulassen, dass du seinetwegen deine Karriere ruinierst.“
„Ich will nichts mehr mit dieser Welt zu tun haben. All diese reichen, mächtigen Männer … sie erinnern mich nur an …“ Alexa brach ab.
„Na schön.“ Das verräterische Beben in der Stimme der Freundin hörte Imogen sehr wohl. „Warum machst du dann nicht so eine Art Bildungsreise in Sachen Kunst? Geh für den Winter nach Marokko oder vielleicht nach Brasilien, mal für zwei, drei Monate nur deine eigenen Motive. Und ich werde die Termine für die Aufträge verschieben. Weil du dich aus gesundheitlichen Gründen für eine Weile in einem warmen Klima aufhalten musst.“
Dazu nickte Alexa langsam. Imogen nahm es als Zustimmung für ihren Vorschlag, doch sie war entsetzt, als Alexa ihr erzählte, was sie beschlossen hatte.
„Nein, nein, nein! Das kannst du überhaupt nicht gebrauchen – dich mitten im Winter in irgendeinem gottverlassenen Flecken in der Wildnis von Devon zu verkriechen!“
Doch sämtliche ihrer Einwände stießen nur auf taube Ohren. Alexa packte ihre Sachen zusammen, lagerte persönliche Dinge ein und überließ das Apartment einem Maklerbüro, das es für sechs Monate möbliert vermieten sollte. Dann mietete sie sich einen Wagen und lud den Kofferraum voll.
„Der Makler weiß, wie ich zu erreichen bin. Ich habe ihn übrigens angewiesen, es dir nur zu verraten, wenn es sich um eine Sache zwischen Leben und Tod handelt.“
„Das kannst du nicht machen!“, protestierte Imogen ungläubig.
„Ich muss es machen“, lautete Alexas einziger Kommentar.
Und so saß sie nun hier, in der kargen unwirtlichen Winterlandschaft, und wusste, dass sie recht gehabt hatte. Die kahlen Bäume, das ungemütliche Wetter, der graue Himmel und die brachliegenden, lehmigen Äcker entsprachen genau dem Gefühl, das sie in sich trug.
Trostlosigkeit.
In ihrem Herzen und ihrem Geist war es tot und kalt. Viel schlimmer noch als beim ersten Mal.
Damals dachte ich einfach nur, dass ich mich in einen Mann verliebt hatte, der nicht in mich verliebt war. Ich habe es akzeptiert, genau wie ich die Grenzen der Beziehung akzeptiert hatte. Aber ich habe nie schlecht über ihn gedacht.
Jetzt jedoch sah sie alles viel klarer.
Sie hatte sich in einen Mann verliebt, dem es allein um Sex gegangen war. Mehr sah er nicht in ihr. Für seine Braut und seine Geliebte empfand er nichts als achtlose Gleichgültigkeit, und damit erniedrigte er beide Frauen.
Für einen solchen Mann konnte man nur ein Gefühl hegen, und das war sicherlich nicht Liebe. Damals hatte Alexa noch gedacht, sie müsste ihre Liebe verneinen und ignorieren. Jetzt erkannte sie, dass sie dieses Gefühl komplett ausrotten musste. Sie musste es
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