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Dieser graue Geist

Dieser graue Geist

Titel: Dieser graue Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Jarman
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Sie übersehen dabei Thriss’ individuelle Bedürfnisse. Sie ist vielleicht nicht so stark wie Sie, Anichent, wenn es um derartige Rückschläge geht.« Seit sie ihre Patientin wurde, hatte Phillipa Stunden mit der Datenbank verbracht und nach hilfreichen Informationen gefahndet. Dabei hatte sich ihr das Bild einer Spezies erschlossen, die versessen darauf war, das Wohl vieler über das einzelner zu stellen. Nun, hier war ein Teil dieses Ganzen lädiert, und das stellte für eine Therapeutin keine leichte Aufgabe dar. »Sie begehen einen Fehler«, betonte sie und hoffte, ihn endlich zu erreichen.
    »Sie entstammen einem Volk, das den Luxus hat, individuelle Bedürfnisse an erste Stelle zu setzen«, sagte er leise. »Wir nicht. Unsere sozialen Normen sind komplex, Counselor. Ich glaube, wir sind Thriss’ bestmöglicher Schutzwall. Aus Respekt Ihnen gegenüber bringen wir sie morgen früh zu Ihrem Büro, bevor wir aufbrechen.«
    Phillipa begriff, dass er nicht weichen würde, und machte einen Schritt zurück. Sofort schloss sich die Tür zu ch’Thanes Quartier, direkt vor ihrer Nase.
    An einer inneren Blutung starb man genauso schnell wie an einer durchtrennten Arterie, oder? Phillipa wollte Thriss umgehend helfen, aber sie wollte deswegen keinen weiteren Konflikt unter den Bündnispartnern schüren. Ihre Aufgabe war es, Kompromisse zu finden. Die Beziehung zwischen den vier Andorianern war von einer Zerbrechlichkeit durchzogen, die an einen Kristall erinnerte. Berührte man die Oberfläche, war alles fest und glatt, doch der geringste Druck reichte aus, um alles zu zerstören.
    Seufzend wandte sich Phillipa ab, weigerte sich, diesen Druck auszuüben. Um Thriss’ willen.
    Es kostete Thriss einige Mühe, ihren Kopf vom Kissen zu erheben. »Ist Counselor Matthias da draußen? Ich dachte, ich hätte ihre Stimme gehört.« Das Zimmer drehte sich. Sie versuchte, die beiden auf sie zu eilenden Dizheis in den Fokus zu bekommen, doch ihre Augen waren müde und die Partnerin zu schnell. Schon der Versuch rief bei ihr Übelkeit hervor. Also blieb sie auf dem Kissen liegen und ließ sich treiben. Sie löste die Anspannung in ihren Muskeln, bis sie sich nur noch wie eine knochenlose Masse vorkam. Ihre Gelenke schmerzten. Stiche, schlimmer als tausend Nadeln, in Händen, Knien, Füßen und der Hüfte.
    Dizhei strich ihr übers Haar. Ihre Hand war kühl und trocken. »Ist schon in Ordnung. Überanstrenge dich nicht. Ich weiß, dass es ein langer Tag war.«
    Thriss vergrub ihr Gesicht in den Kissen und suchte Linderung in ihrer Erinnerung. Shar kam ihr in den Sinn, uneingeladen, und sofort ließ sie den Raum Raum sein, spürte nur noch seine Lippen auf jedem Millimeter ihres Gesichts. Sie hörte seine Stimme – den besonderen Klang, den er nur für die stillen, dunklen Momente reservierte, wenn sie sich an seinen Rücken schmiegte, als wollte ihr Körper die Wärme seines Leibes absorbieren. In Gedanken lag ihre Nase an seiner Brust, atmete den Duft namens Shar, und ihre Atemzüge wurden regelmäßiger. Schlaf klopfte an, Träume kamen näher. Träume von Shar, in denen ihr war, als könnte sie ihn wieder die albernen Zärtlichkeiten flüstern hören. Die Alibis, die sie erfunden hatten, um ihre kleinen Treffen und geheimen Absprachen zu verbergen.
    Oh, wie sie ihn vermisste! Alles, was sie war, war doch dafür bestimmt, Teil von ihm zu sein. Ohne ihn trieb sie dahin, verloren auf See. Er war dort draußen, wanderte im Licht einer Milliarde Welten, wo ihr Netz ihn nicht fand. Wo das All, jene kalte, leere Finsternis, ihr die Wärme aus ihren Träumen raubte.
    Er war nicht mehr. Er hatte sie vergessen. Er war so weit entfernt, dass sie in seinen Erinnerungen schlicht nicht länger vorkam. Er kehrte nicht wieder. Er würde nie wieder heimfinden. Nicht mehr. Nicht zu ihr.
    Licht und Ton verloren Substanz, wurden eins, und Thriss war, als könnte sie irgendwo in dem Gewirr Anichent und Dizhei hören – gurgelnde, lange Laute. Heim, wir müssen wieder heim , hörte sie einen von ihnen sagen. Sie versuchte, ihnen zu erklären, dass dort ohne Shar nichts auf sie wartete, brachte dazu aber die Kraft nicht auf. Und … War Zhadi hier? Das konnte nicht sein. Thriss kniff die Augen enger zusammen, und ihr war, als sähe sie Zhadi . Nur Zhadi trug solch helle, bunte Farben; Farben, die Shar lächerlich fand. Aber Zhadi war doch fort, kam erst in einigen Tagen wieder! Im Gegensatz zu Shar, der nie mehr wiederkam …
    Thriss wollte schlafen.

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