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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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untersuchen. Ich zog meinen Pullover und das Korsett aus, aber als er mich bat, meine Hose auszuziehen, sagte ich klipp und klar: »Nein!«
    Er erklärte mir, dass er mich doch wegen meinen Bauchschmerzen abtasten müsse und mir nur kurz in den Popo schauen wolle, was überhaupt nicht weh tun würde, aber ich hörte schon gar nicht mehr zu. Ich wollte das nicht. Der Arzt redete weiter auf mich ein. Eine Krankenschwester kam ins Zimmer. Mama schrie mich an, ich solle endlich gehorchen. Alle guckten sie an. Dann drehte ich völlig durch, schrie und warf mit Ausdrücken um mich. Ich wollte das nicht, aber ich kann mich in solchen Augenblicken nicht kontrollieren. Mama und die Ärzte verstehen einfach nicht, welche Angst ich habe. Und je mehr sie auf mich einreden, desto schlimmer wird es. Jedes Mal versprechen sie mir, dass sie mir nicht wehtun werden, aber sie halten sich nicht immer daran. Warum versprechen sie es dann? Ich kann ihnen nicht mehr trauen.
    Als der Arzt mich am Arm berührte, schlug ich seine Hand weg und schrie: »Finger weg! Mein Arsch bleibt Jungfrau.« Er setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch, und Mama war stinksauer.
    »Willst du denn nicht, dass es dir bessergeht?«, fragte mich Lars von der Tür aus, und ich hasste ihn dafür. Warum musste er jetzt auch noch damit anfangen? Ich dachte, er wäre auf meiner Seite. Ich warf ihm nur einen bösen Blick zu. Sollte er sich doch in den Arsch gucken lassen!
    »Ich kann ihn nicht zwingen«, sagte der Arzt zu Mama, die wieder ihren roten Stierkopf bekam.
    Ich sprang von der Liege und zog mich an. Natürlich waren jetzt alle sauer auf mich, wie so oft, aber mir war das schnurzpiepegal.

    Im Bus nach Altona sprach niemand ein Wort. Mama schrieb eine SMS, Lars gähnte dreimal hintereinander, und weil ich ihn während der gesamten Fahrt beobachtete, musste ich auch gähnen. Mama ließ sich am Bahnhof, direkt vor der Unterführung, wo ganz viele Tische mit Obst, Gemüse und Ramsch stehen, ihre Nägel machen. Sie geht oft in diesen kleinen Laden mit dem großen Schild: »Nails American Style«. Die Chinesin ist sehr nett und lächelt immer freundlich, weil es dort aber furchtbar nach Lacken und Chemikalien stinkt, bekomme ich schnell Kopfschmerzen. Lars hielt es nur wenige Sekunden aus und nahm sofort Reißaus, weswegen Mama, die Chinesin und ich ihn herzhaft auslachten. So eine Lusche.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte er, als ich zu ihm nach draußen ging.
    »Mama braucht bestimmt eine halbe Stunde«, sagte ich, »wenn nicht sogar länger. Sie ruft an, hat sie gesagt.«
    Wir gingen Richtung Innenstadt.
    »Kennst du dich hier aus?«
    »Klar.«
    »Weißt du, wo man hier einen guten Espresso bekommt? Mir fallen gleich die Augen zu.«
    »Kauf dir doch einen Energy Drink«, schlug ich vor, aber Lars verzog sein Gesicht. Das war offensichtlich keine gute Idee. Nächster Versuch: »Kaufst du mir einen Energy Drink?«
    »Darfst du das überhaupt trinken?«
    »Ja.«
    Lars blieb stehen und hielt mich am Ärmel fest.
    »Darfst du das trinken?«, wiederholte er grinsend.
    »Na ja, also eigentlich nicht.«
    Dann gingen wir weiter, und ich sagte schnell: »Aber ich habe schon ganz oft so was getrunken, wirklich, und es ist auch nie etwas Schlimmes passiert. Also, bekomme ich einen? Ja? Bitte, bitte, bitte.«
    Lars zog seine Augenbrauen hoch, und ich durfte mir an einem Kiosk eine eiskalte Dose aus dem Kühlfach nehmen. Ich nahm einen großen Schluck und fing an zu hüpfen.
    »Was habe ich da nur angerichtet?«, rief Lars mir hinterher, und ich versuchte, mit meinen Armen zu fliegen, so wie der Stierbulle aus der Werbung.
    Im Mercado-Einkaufszentrum bestellte sich Lars bei einem der vielen kleinen Feinkostläden einen Espresso. Ich setzte mich neben ihn auf einen Hocker, und ein italienisch aussehender Mann mit Bart bediente uns. Ich wollte nichts trinken, da ich ja noch meine Dose in den Händen hielt, aber Lars bestellte trotzdem eine kleine Flasche St. Pellegrino.
    »Was war denn los gerade im Krankenhaus?«
    »Weiß nicht«, sagte ich.
    »Du bist doch kein kleines Kind mehr.«
    »Bin ich auch nicht.«
    »Und wieso hast du so’n Theater gemacht?«
    Ich erklärte es ihm. Lars hörte zu, nickte, trank von meinem Wasser, weil ich es ja nicht wollte, und ich fühlte mich wie ein richtiger Erwachsener. Ich weiß nicht genau warum. Vielleicht lag es auch am Energy Drink. Lars rührte in seinem Espresso und beobachtete die Menschen, die an uns vorbeikamen.
    »Weißt du,

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