Dieses heiß ersehnte Glueck
anderen Ufer näher.
Der Fremde, der dort gewartet hatte, kam auf sie zugeschwommen. »Brav, Mädchen — nur immer die Zügel festhalten!«
»Steven!« rief Leah zu ihm hinunter, als die Pferde schon auf das trockene Land hinaufstrebten. Während der Prärieschoner mit dem Heck noch im Wasser hing, schüttelte Leah bereits die Schuhe ab. Sie war schon immer eine gute Schwimmerin gewesen, und sie fragte sich nun, ob die anderen überhaupt bemerkt hatten, daß Steven in den Fluß gefallen war.
»Hier!« keuchte Leah, warf dem Fremden die Zügel zu und sprang vom Kutschbock in den Fluß hinunter.
»Was, zum Teufel. . .!« fing der Mann an, mußte sich dann aber ganz auf die Pferde konzentrieren.
»Wo will Leah denn hin?« herrschte Wesley den Fremden an.
»Sie hat mir etwas von einem Steven zugerufen.«
»Sitzt er denn nicht auf dem Wagen?« fragte Wes. Im nächsten Moment war er schon im Wasser und schwamm Leah nach.
Sie tauchte und suchte stundenlang — so kam es ihr jedenfalls vor — den Grund des Flusses nach Steven ab. Wesley und der Fremde schlossen sich schon nach wenigen Minuten der Suche an, und Leah zeigte den beiden, wo sie schon überall getaucht war.
Kurz vor der Abenddämmerung fanden sie ihn dann in der Nähe des Ufers auf dem Boden des Flusses. Er hatte sich beim Sturz ins Wasser offenbar an einem Stein den Schädel eingeschlagen.
Wesley zog ihn ans Land.
Leah stand keuchend daneben, erschöpft von der Suche, die den ganzen Nachmittag gedauert hatte. Nachdem sie eine Stunde im Wasser gewesen, hatte sie sich das Kleid ausgezogen, weil die langen Röcke sie beim Tauchen hinderten, Nun stand sie in nassen Unterkleidern am Ufer und war zu müde und zu verfroren, um noch daran denken zu können, was schicklich war.
Wesley bemerkte, wie Justin Leah ansah, zog sein Hemd aus und streifte es ihr über den Kopf. Es reichte Leah über die Knie.
»Nein, nein, nein!« schrie Kimberly, als sie vom Wagen herbeirannte, die Augen auf den leblosen Körper ihres Bruders gerichtet.
Wesley ließ Leah bei dem Fremden, um Kim in ihrem Schmerz beizustehen. Wesleys Schultern sackten noch ein Stück tiefer, wenn das überhaupt noch möglich war. Kim und Wesley wanderten in die Dunkelheit hinein, und Kimberlys lautes Schluchzen verklang in der Abendstille.
Minutenlang sprachen Leah und der Fremde kein Wort.
»Sie sollten etwas Trockenes anziehen«, sagte Justin Stark schließlich leise. Er hatte keine Sekunde die Augen von ihr abgewendet.
Leah nickte nur, rührte sich aber vor Kälte zitternd, nicht vom Fleck.
Der Fremde kam einen Schritt näher. »Ich bin Justin Stark, und Sie . . .?«
Leah gab ihm keine Antwort. Sie starrte hinunter auf Stevens kalten, leblosen Körper, und dann begannen ihr die Tränen über die Wangen zu laufen.
Da trat Justin zu ihr und nahm sie wortlos in die Arme.
Leah versuchte, sich von ihm zu lösen; aber sie war zu schwach, um sich noch wehren zu können. Vielleicht auch brauchte sie diese Tröstung, selbst wenn sie nur von einem Fremden kam.
»Weine dich nur aus, kleines Mädchen«, flüsterte Justin. »Jemand, der so tapfer war wie du, hat sich auch Tränen verdient.«
Leah wußte nicht, wo die vielen Tränen herkamen — oder warum sie ihr kamen — jedenfalls weinte sie wie noch nie in ihrem Leben. Es war gut, jemand an seiner Seite zu haben und von den starken Armen eines Mannes festgehalten zu werden.
Als der Mann dann eine Decke vom Sattel seines Pferdes losband, merkte Leah es gar nicht. Und als er ihr vorsichtig die nassen Sachen vom Körper streifte, protestierte sie nicht einmal. Er wickelte ihren nackten, nassen Leib in die Decke, drückte sie an sich und setzte sich mit ihr auf einen umgestürzten Baumstamm. Dann begann er sie an seiner Brust zu wiegen, und Leah hörte allmählich zu weinen auf, ohne seine Schultern loszulassen. Selbst als sie schon eingeschlafen war, klammerte sie sich noch an ihn.
»Schläft sie?« flüsterte Wesley, über Justin gebeugt.
Justin nickte. »Hast du ein Nachtlager für sie vorbereitet?«
Wes schaute verlegen auf seine Stiefelkappe. »Ich habe nur für Kim das Bett gemacht. Leah sorgt in der Regel für sich selbst.«
Justin sagte nichts, und da tauchte Wes wieder für ein paar Minuten in der Dunkelheit unter. »Das Lager ist für sie bereit«,? sagte er, als er zurückkam.
Justin stand vorsichtig auf, die schlafende Leah auf seinen Armen. Dann legte er sie so behutsam, als wäre sie aus dünnem Glas, auf die Decken, die
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