Dietz, William C. - Mass Effect 4 - Blendwerk
untersuchte die Schnitte und Hautabschürfungen in seinem Gesicht. „Hast du getrunken?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
Hendel zuckte zusammen, als sie eine der Schwellungen berührte. „Ich hatte zwei Drinks.“
„Das müssen mehr als zwei gewesen sein“, widersprach Kahlee. „Du riechst wie eine ganze Destille. Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich, Hendel. Was ist los mit dir?“
Eines von Hendels Augen war völlig zugeschwollen. Das andere starrte sie wütend an. „Gillian.“
„Was ist mit Gillian?“
„Ich habe versagt. Es war meine Aufgabe, sie zu beschützen, und ich habe es nicht getan.“
Die Wahrheit war, dass Kahlee in den letzten Tagen nicht an Hendel oder die Auswirkungen, die die jüngsten Ereignisse auf ihn haben würden, gedacht hatte. Er war einfach immer da gewesen, wie ein Fels in der Brandung und absolut verlässlich. Bis jetzt … Als Kahlee Hendels übel zugerichtetes Gesicht betrachtete, fiel ihr unvermittelt etwas ein, etwas, an das sie schon früher hätte denken müssen. Hendel hatte während seiner prägenden Jahre an dem harten BAaT-Programm teilgenommen, gefolgt von einer Karriere beim Militär der Allianz und seinem Job als Sicherheitschef der Grissom-Akademie. Das alles waren Aufgaben gewesen, die klare Zielvorgaben mit sich brachten, die es zu erfüllen galt.
Dann kam der Auftrag, Gillian während ihrer Zeit auf der quarianischen Flotte zu beschützen, doch Gillian war verschwunden. Als Hendel sich auf die Suche nach ihr gemacht hatte, war das ebenso eine Suche nach sich selbst gewesen.
„Du musst dir keine Vorwürfe machen“, sagte sie. „Gillian ist erwachsen. Zumindest juristisch gesehen. Du hast getan, was du konntest.
Komm“, wandte sich Kahlee an Anderson. „Gib mir deine Hand. Wir bringen Hendel zu seiner Kabine und versorgen seine Verletzungen.“
„Und wir säubern ihn“, warf Anderson ein. „Verdammt, Hendel! Du siehst fürchterlich aus.“
„Oh, wirklich?“, grinste Hendel, während Kahlee und Anderson ihm auf die Füße halfen. „Ihr solltet euch mal die anderen Jungs ansehen.“
„Das haben wir“, antwortete Kahlee. „Zumindest einige von ihnen. Sie sind alles andere als glücklich.“
„Sie sollen verdammt sein“, zischte Hendel.
„Siehst du?“, meinte Anderson, während er Hendel aus dem Raum heraushalf. „Du fühlst dich schon besser.“
Kahlee lachte. Gemeinsam schleppten sie Hendel den Gang entlang.
SIEBEN
Auf Omega
Nick stand vor einem heruntergekommenen Gebäude im Gozu-Distrikt jenseits des Flusses. Die Luft war schwer vom Gestank des überall herumliegenden Unrats, vom Ozon, das aus einem verschwiegenen Laden einige Häuser weiter entwich, und den verschiedenen Düften von mindestens sechs Imbissbuden, die in der Nähe auf Kundschaft warteten. Doch er war glücklich. Hier auf Omega hatte Nick Donahue zum ersten Mal in seinem Leben eine gewisse Bedeutung.
Diese wurde offensichtlich durch die leichte Level-3-Hydrapanzerung, die er trug, die Brawler-Pistolen, die lässig an seiner Hüfte hingen, und die Tatsache, dass sie ihm lediglich als zusätzliche Sicherheit dienten. Seine Hauptbewaffnung bestand aus seinen Fähigkeiten als Biotiker, die ihm einen Platz im Biotischen Untergrund eingebracht hatten.
Der an Schwermetallen reiche Asteroid war eine wichtige Element-Zero-Quelle, weshalb im Verlauf der Jahre die verschiedensten Gruppierungen versucht hatten, ihn unter ihre Kontrolle zu bringen. Nicht einer einzigen war es gelungen, ihn für längere Zeit zu halten, was sie gezwungen hatte, ihn mit anderen zu teilen oder wieder zu verschwinden.
Dank zweier Element-Zero-Minen und seiner Lage tief im gesetzlosen Terminus-System diente Omega als zollfreier Hafen, in dem Piraten, Söldner, Sklavenhändler, Auftragskiller und andere Kriminelle der verschiedensten Herkunft Handel treiben konnten, sich erholten und ihre Gewinne verprassten. Da es keine Regierung und Exekutive gab, lebte die Bevölkerung der Raumstation in einem gesetzlosen Zustand. Verschiedene Distrikte entstanden, um die hart gekämpft und die immer wieder neu eingeteilt wurden, den Launen der verschiedenen Bandenchefs entsprechend.
Beinahe acht Millionen Vertreter unterschiedlicher Völker lebten hier in ständiger Gefahr. Jeder achtete nur auf sein eigenes Wohlergehen in dieser Gesellschaft, in der alles, was man sich vorstellen kann, gekauft, gestohlen oder verkauft wurde. So war es nicht verwunderlich, dass Omega auch
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