Dihati Qo – Die, die sind
und warfen sie ins Wohnhaus. Die Ställe waren bereits niedergebrannt. Dann teilten sie sich in Gruppen und sprengten davon. Bauernpaar und Kind ließen sie im Dreck liegen.
Norak und Eric erhoben sich aus ihrem Versteck und gingen zu den Toten. Trauer schmerzte im Gesicht und Magen. Vor ihrem geistigen Auge sahen sie das Massaker in ihrem eigenen Dorf. Sie schmeckten Galle und Schmerz schnürte ihre Kehlen zu.
»Drei mehr, wofür er büßen wird. Darunter der Königssohn«, sagte Norak.
Eric nickte bitter. Er blickte auf Johann, der mit seiner toten Hand die Wunde in seinem Bauch bedeckte; da durchzuckte ihn ein Gedanke. »Er sagte, er nimmt den Ring mit ins Grab.« Ohne Vorwarnung zog Eric sein Messer und schlitzte der Leiche des Bauern Bauch und Magen auf und verfuhr mit den Gedärmen ebenso.
Norak übergab sich augenblicklich. Sie hatten viel erlebt auf dieser Reise, sie hatten getötet und Menschen sterben sehen, wie gerade eben auch, doch das überschritt bei ihm eine Grenze.
Während Norak seinen Mageninhalt leerte, verfuhr Eric mit dem des Bauern ebenso. Seine Hände durchwühlten ein Gemisch aus Blut, Mageninhalt und Gedärmen. »Ich hab’ ihn!«
Norak sah ihn verdutzt an, die Hände vor dem Magen verkrampft. » Was hast Du?«
Erics Miene drückte Unverständnis aus. »Na, den Ring, was dachtest Du denn? Er hatte ihn verschluckt.«
22
Sie waren zurück im Wald und konnten ihr Glück kaum fassen. Sie hatten den Fürsten überlistet. Ein teuer erkaufter Sieg. Doch sie hatten den Ring. Den zentralen Stein im Mosaik ihrer Rache. In der Euphorie ihres Triumphs erstrahlte eine Erkenntnis, die merkwürdig überzeugend war: Sie waren die Dihati Qo!
Doch die Euphorie verflüchtigte sich ebenso schnell, wie sie gekommen war. Sie räumte den Platz für die weit unangenehmere Realität. Ihre Position war ein Flecken Wald irgendwo im Burr-Thal, eingekesselt vom Feind. Der Ring war ein Fokus zu ungeheuerlicher Macht; Magie, die sie gegen ihre Feinde einsetzen konnten. Wenn sie nur wussten wie.
»Was nun?« Eric traute sich, die Frage zu stellen.
»Offengestanden, ich weiß es nicht«, antwortete Norak.
»Willst Du den Ring ausprobieren? Für den Prinzen ist er jedenfalls nicht mehr bestimmt.«
Norak warf Eric einen scharfen Blick zu. »Wir wissen nicht, welche Bestimmung dieser Ring hat. Oder ob er je eine hatte. Und ja, ich werde ihn ausprobieren. Wenn wir hier lebend rauskommen wollen, bleibt mir keine andere Wahl.«
»Scheust Du die Konsequenzen?«
»Ja«, war die ehrliche Antwort. »Das Knochenschwert hat eindrucksvoll demonstriert, was passieren kann, wenn wir Magie anwenden, die wir nicht verstehen.«
Eric senkte betroffen den Kopf.
»Verzeih, ich wollte Dir keine Vorwürfe machen, ich wollte nur die Gefahren aufzeigen.«
Das tröstete seinen Freund nicht. »Meinst Du, mit Hilfe des Ringes kommen wir aus diesem Talkessel heraus?«
»Die Frage ist, wollen wir wieder hinaus, oder machen wir uns auf die Suche nach dem Ursprung der Kreaturen, die hier herumkreuchen?«
»Du willst das Seraphenschwert!«
»Ja, das will ich! Ich will den Zugang zu dieser anderen Welt finden, von welcher der Ohab sprach. Vielleicht sind dort das Schwert und der Stein der Weisen versteckt. Wenn dieser Ring so viel Macht hat, welche Möglichkeiten bietet uns dann der ganze Stein?« Noraks Augen funkelten in der Gier nach Zustimmung – und Macht.
»Ich weiß nicht.« Eric hielt den Kopf schief. Er klang nachdenklich. »Dieser Rat, die Zwölf von Gishalta, oder wie sie auch hießen, diese Magier hielten es für keine gute Idee, direkt auf den Stein zuzugreifen.«
»Was willst Du damit andeuten?«, brauste Norak auf. Eric machte seinen Plan zunichte.
»Ist Dir schon mal in den Sinn gekommen, dass ein Objekt von solch unglaublicher Macht, zu gefährlich sein könnte, um direkt darauf zuzugreifen? Möglicherweise ist ein einzelner Mensch dem gar nicht gewachsen? Diese Macht könnte Dich überwältigen und Du fängst an größenwahnsinnig zu werden, wie unser Fürst. Vielleicht ist dieser Stein der Grund, warum sich ’te Kall und Tang Ok mit dem Bösen verbündet haben.«
» Vielleicht, vielleicht! « Norak ärgerte sich. Erics Mutmaßungen waren beleidigend. Traute sein Freund ihm nicht mehr? War er eifersüchtig auf seine magischen Fähigkeiten? »Alles Quatsch!«, sagte eine innere Stimme zu Norak, doch war er nicht gewillt, ihr nachzugeben.
Norak zwang seine Nackenmuskeln, den Kopf hin und her zu schleudern, bis
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