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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Deutschland im Zentrum. Wäre das nicht eine bessere Geschichte als diejenige, die wir durchgemacht haben? Ich meine, all diese Toten auf den Schlachtfeldern Frankreichs … die Invalidität eures Vaters …«
    »Passt auf, was ihr euch wünscht«, warf Claudine ein. »Ohne den Aufruhr, der auf Deutschlands Niederlage folgte, wärt ihr Nazis garantiert nicht an die Macht gelangt.«
    Josef applaudierte ironisch. »Nun, ich stimme nicht unbedingt mit Ihrer Schlussfolgerung überein, aber im Gegensatz zu meinem Bruder haben Sie verstanden, worum es geht.«
    Ernst schüttelte den Kopf. »Worauf soll dieses Gespräch hinauslaufen? Selbst wenn ihr die Geschichte gern ändern würdet, ihr wärt nicht imstande dazu.«

    »Ah.« Josef warf Julia einen Blick zu. »Das könnte man meinen, nicht wahr? Aber Julia versichert mir, dass es sehr wohl möglich ist. Es gibt da eine spezielle Technik, die in Amerika entwickelt wurde …«
    »Amerika! Ich hätte es wissen müssen. Sie haben doch sicher Beweise dafür«, blaffte Ernst Julia an.
    »Ja, in der Tat«, sagte Julia. »Zumindest solche, die für einen Historiker schlüssig sind. Allerdings habe ich momentan noch keine funktionsfähige Technik zu bieten. Mir fehlt eine Komponente … eine menschliche Komponente.«
    »Genau genommen eine untermenschliche«, sagte Josef.
    Sie lächelte ihn liebevoll an. »Wenn England erst einmal in deutscher Hand ist, wird diese Komponente bestimmt bald gefunden und zu mir gebracht werden.«
    »Und dann«, sagte Josef, »sind die Möglichkeiten unbegrenzt.«
    »Du warst schon immer ein ehrgeiziger Mistkerl«, meinte Ernst. »Du hast vor, Himmler für dieses Hirngespinst von einem Zeitmanipulator zu gewinnen, stimmt’s?«
    »Nun ja, er wäre aufgeschlossen für so etwas, weißt du. Der Reichsführer träumt von Superwaffen. Ein Flugzeug, mit dem man Amerika angreifen kann. Thors Hammer! Was würde er von der größten Waffe aller Zeiten halten? Denn welcher Feind könnte uns standhalten, wenn man ihm seine Vergangenheit rauben würde?«

    Ernst schüttelte den Kopf. »Du bist verrückt. So einfach ist das.«
    Josef seufzte. »Was für eine Enttäuschung du bist, Bruderherz – wie schon immer. Trotzdem liebe ich dich. Und darum möchte ich, dass du bei meinem großen Abenteuer mit von der Partie bist, selbst wenn du unfähig bist, es zu verstehen …«
    Das klagende Heulen einer Sirene erklang.
    »Ah«, sagte Josef. »Hört sich an, als käme die englische Luftwaffe zur Party. Wie schade.« Er trank seinen Cognac aus, stand auf und verbeugte sich vor Claudine. »Mademoiselle. Seien Sie nicht zu grob mit meinem kleinen Bruder; er geht leicht kaputt, wissen Sie.« Er sah auf die zerstörte Tischplatte hinunter, wischte ein paar Splitter weg und ging mit Julia davon.
    Claudine berührte Ernsts Hand. »Du solltest dich von ihm nicht so ärgern lassen. Das will er doch nur.«
    »Er hat ein ganzes Leben lang Übung darin.«
    Sie zuckte die Achseln und zündete sich eine weitere Zigarette an. »Aber während er seinen absurden Fantasien nachjagt, wirst du dir in England ein Eisernes Kreuz verdienen. Du bist derjenige, auf den euer Vater stolz wäre.«
    Vielleicht, dachte Ernst. Falls er jemals dorthin kam.
    Eine Gruppe Soldaten betrat die Bar. Trotz der Sirenen gab es viel Gelächter und neckisches Geplänkel. Ihre Uniformen waren bis zu den Knien von Meerwasser getränkt, als hätten sie darin herumgeplanscht.

    Es war, als spielten sie alle nur, dachte Ernst, überall an der Kanalküste. Man musste die Fassade aufrechterhalten, dass dies eine ernsthafte Operation war; er würde nie etwas anderes sagen, nicht einmal zu Claudine. Aber er hegte den Verdacht, dass trotz all dieser Vorbereitungen niemand wirklich an die Invasion glaubte. Es gab andere Möglichkeiten, die Briten in die Knie zu zwingen, zum Beispiel indem man sie in Grund und Boden bombte oder ihre Nachschub-Konvois versenkte und sie aushungerte. Nein, die gewaltige, merkwürdige Frachtkahn-Armada würde nie auslaufen. Ernst würde England niemals zu Gesicht bekommen und sich sein Eisernes Kreuz auf andere Weise verdienen müssen.
    Er leerte seinen Cognac. Und als sie gingen, gab er dem Wirt Geld für den beschädigten Tisch.

VI
    20. August
    Das Heulen der Sirene schreckte Mary aus dem Schlaf. Einen Moment lang hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand. Die Nacht war heiß, ihr Hals schweißnass, und es war stockfinster im Zimmer.
    Sie rollte sich herum, und ihre suchende Hand stieß

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