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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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des Klirrens von Besteck und Gläsern. »Glaubst du, wir führen tatsächlich eine Invasion durch, wenn es so weit ist?«
    »Was meinst du denn? Die Invasionsflotte liegt da drüben im Hafen. Das ist nicht gerade billig, weißt du; jeder Lastkahn, der hierhergebracht wird, kann keine Maschinenteile oder Kohle auf dem Rhein transportieren.«
    »Richtig. Aber wir brauchen eine Demonstration der Stärke, um die Briten in den Seilen zu halten, oder? Wenn die Lastkähne jemals in See stächen, würde die Royal Navy die Kriegsmarine völlig aufreiben – das Kräfteverhältnis beträgt zehn zu eins. Die würden Kleinholz aus uns machen.«
    »Allerdings könnte es sogar noch schlimmer kommen«, wandte Julia ein. »Nach der französischen Kapitulation hat Churchill der Royal Navy befohlen, die französische Flotte in ihren algerischen Häfen zu versenken. Sein Kabinett hat die Entscheidung jedoch rückgängig gemacht; die Navy musste wieder umkehren. Und so ist Deutschland die französische Marine in die Hände gefallen, eine der stärksten und modernsten der Welt. Was für ein Fehler der Briten!«
    »Ja«, sagte Josef. »Sie hatten nicht das nötige Selbstvertrauen, um zuzuschlagen – oder waren nicht tollkühn genug.«
    »Die Engländer sind alle Feiglinge«, erwiderte Julia geringschätzig.

    Das verletzte Ernst, der in den Niederlanden gegen die Engländer gekämpft hatte. »Und was wollen Sie, Madam, außer dem Fußfall Ihres eigenen Volkes?«
    Sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich glaube, Josefs Interesse an mir rührt ganz im Gegenteil von dem her, was ich ihm zu bieten habe.«
    Josef grinste. »Denk nur nicht, dass sie mich wegen meines Körpers begehrt. Ich hoffe, dass wir bald ein großartiges gemeinsames Unternehmen durchführen werden.«
    »Was für eine Verrücktheit kochst du denn nun wieder aus, Josef?«
    Julia kramte in ihrer Segeltuchtasche und brachte zwei Bücher zum Vorschein. »Können Sie Englisch, Ernst? Ich habe leider keine deutschen Übersetzungen – noch nicht.«
    Er nahm die Bücher in die Hand. Eins war ein zerfledderter Band mit dem Titel If It Had Happened Otherwise , 1931 erschienen, herausgegeben von jemandem namens J. C. Squire. 1 Bei dem anderen handelte es sich eher um ein Magazin mit einem grellbunten Umschlag, wie er sah; es hieß Unknown und war ein Jahr alt.
    »Der Squire ist eine Sammlung von Essays, Spekulationen darüber, welchen anderen Verlauf die Geschichte vielleicht genommen hätte, wenn bestimmte
Schlüsselereignisse anders ausgegangen wären«, fuhr Julia fort. »Zum Beispiel, was wäre, wenn Napoleon bei Waterloo gesiegt hätte?«
    Claudine warf einen Blick auf das Buch. »Da ist ein Essay von Churchill drin!«
    »Was das Magazin betrifft …«, Julia tippte mit einem manikürten Finger auf das Inhaltsverzeichnis, »so ist das der interessante Text.« Es war ein Beitrag eines Autors namens L. Sprague de Camp, und er trug den Titel »Lest Darkness Fall«. 2 »In de Camps Fortsetzungsroman geht es um einen Mann, der eine Zeitreise in die Vergangenheit unternommen hat, in ein Rom, das im Begriff ist, den Barbaren in die Hände zu fallen. Was, wenn es gelungen wäre, diesen Zusammenbruch abzuwenden?«
    Ernst übersetzte den Titel unbeholfen ins Deutsche: Damit nicht die Dunkelheit hereinbreche . »Was soll das alles, Josef?«
    Sein Bruder verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, dass die Geschichte den falschen Verlauf genommen hat, Ernst? Ich meine, alles was wir tun, ist voll und ganz von der Vergangenheit geprägt. Wenn wir im Weltkrieg 14/18 keine schmachvolle Niederlage im Westen erlitten hätten, wenn es den Versailler Schandvertrag nicht gegeben hätte, säßen wir jetzt nicht hier – stimmt’s? Und wenn man diesen Gedanken weiterspinnt: Was
wäre, wenn man die Geschichte ändern könnte, so dass beispielsweise Deutschland den Weltkrieg 14/18 nicht verloren hat?«
    »Der wahre Lauf der Geschichte beruht aber nun mal auf Notwendigkeiten.«
    Julia seufzte. »Dein Bruder ist wirklich ziemlich fantasielos, Josef.«
    »Das hab ich dir doch gleich gesagt.«
    »Die Dinge hätten sich auf vielfältige Art und Weise anders entwickeln können«, sagte Julia. »Zum Beispiel, wenn man die Briten dazu bewogen hätte, sich aus dem im Grunde ja kontinentalen Krieg herauszuhalten. Dann hätte der Kaiser siegen können, das heißt, er hätte sein wichtigstes Ziel erreicht, eine Wirtschaftsunion der europäischen Völker mit

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