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Dinner mit Rose

Dinner mit Rose

Titel: Dinner mit Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Hawkins
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Stille trat ein, die nur vom Zischen herabfallender Glut im Ofen unterbrochen wurde. Endlich flüsterte Kim: »Was bedeutet ›palliativ‹?«, und ihre Augen wirkten in ihrem totenblassen Gesicht riesig.
    »Dass sie nur noch die Beschwerden etwas lindern, die Krankheit aber nicht heilen können.«
    Kim rang nach Atem und barg das Gesicht in den Händen.
    »Ach, Süße«, sagte Tante Rose. »Komm her.« Sie breitete die Arme aus und drückte Kim gegen die Stelle, wo einst ihre Brust gewesen war.
    »Du kannst nicht einfach aufgeben«, fauchte Matt ärgerlich. »Es gibt genug andere Spezialisten – ich habe im Internet über eine neue Behandlungsmethode in Amerika mit beeindruckenden Resultaten gelesen.«
    »Nein«, wiederholte sie.
    »Aber …«
    »Matthew, sei still und hör zu.« Er gehorchte, doch es kostete ihn eine solche Anstrengung, dass es weh tat, ihn anzusehen. »Wir haben alles versucht, aber der verdammte Krebs hat sich jetzt auch in die Lunge und in die Knochen gefressen. Ich würde es vorziehen, die Zeit, die mir noch bleibt, zu genießen, statt im Land herumzureisen und von einem Dutzend verschiedener Onkologen dieselbe Diagnose zu bekommen.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, und Matt, den ich angesichts schlechter Nachrichten noch nie die Fassung hatte verlieren sehen, sank plötzlich neben ihr auf den Küchenfußboden und verbarg das Gesicht in den Falten ihres Morgenmantels.
    Ich rutschte von der Tischkante, auf der ich gekauert hatte, und tastete mich wie blind durch den Raum. Kim und Matt sollten etwas Zeit allein mit ihr verbringen. Sie hatten schon ihren Vater verloren, und nun würde auch noch die Frau von ihnen gehen, die ihnen in vieler Hinsicht die Mutter ersetzt hatte. Es gab wirklich lausige, elende, ungerechte Schicksalsschläge im Leben – ich wollte nur noch raus hier und auf irgendetwas eintreten.
    »Josephine«, sagte Rose sanft, als ich die Tür zum Flur erreicht hatte. Ich blickte über meine Schulter, und sie winkte mich mit der Hand zu sich, mit der sie Kims schmalen braunen Kopf gestreichelt hatte. Ich ging langsam durch die Küche zurück, setzte mich neben sie auf den Boden, lehnte den Kopf gegen ihr freies Knie und atmete den vertrauten Duft ihres Parfüms ein. Kim weinte leise, das Gesicht in einem Kissen vergraben, und Matt saß still auf ihrer anderen Seite. Ich konnte nicht anders, ich berührte seine Hand, und er tastete ohne aufzublicken danach und umschloss meine Finger fest mit seinen.
    Tante Rose tätschelte uns eine Weile abwechselnd den Rücken, dann sagte sie: »Ihr Lieben, das ist ja alles sehr schmeichelhaft, aber ihr rührt mich allmählich zu Tränen.«
    »Tapfer«, sagte Matt gepresst, setzte sich auf und wischte sich mit dem Hemdsärmel über sein nasses Gesicht. Ich stand auf, nahm eine Rolle Papiertücher von der Bank, riss eines ab, um mir die Nase zu putzen, und reichte die Rolle dann weiter.
    »Schon besser«, lobte Rose. »Tapfere kleine Soldaten.«
    Dass Matt und ich trotz unserer stattlichen Körpergröße als klein bezeichnet wurden, entlockte mir unwillkürlich ein schluchzendes Lachen.
    »Josephine, ist noch etwas von dem Sherry da?«
    »Nein … nicht von dem guten. Nur von diesem scheußlichen Kochsherry.«
    »Besser als nichts«, entgegnete Rose resolut. »Wir können alle einen vertragen.«
    »Der wird uns wahrscheinlich den Rest geben«, sagte ich, holte die Flasche aber trotzdem aus dem Schrank über der Mikrowelle und füllte vier der besten Kristallgläser.
    »Himmel.« Matt nippte misstrauisch daran. »Bist du sicher, dass das kein Abbeizmittel ist?«
    »Gut ist er nicht«, stimmte Rose zu. »Aber das macht nichts – ex und hopp!«
    »Wie lange weißt du es schon?« Kim erschauerte, als ihr der Sherry die Kehle hinunterrann.
    Tante Rose seufzte. »Ich habe es euch nicht gesagt, aber die Prognose war von Anfang an nicht gut, und die letzte Untersuchung hat ergeben, dass sich während der ersten Chemo eine ganze Anzahl Metastasen gebildet hat. Ich fand, eine zweite Chemo würde alles nur noch schlimmer machen. Also habe ich letzte Woche ein langes Gespräch mit dem Spezialisten geführt, und er stimmte mir zu, dass wir keine großen Fortschritte machen und es eine vernünftige Entscheidung ist, keine teuren Medikamente mehr an Tumore zu verschwenden, die nicht darauf reagieren.«
    »Wie lange noch?«, fragte Matt.
    »Wer weiß?«
    »Eine grobe Schätzung.«
    »Ein paar Monate. Vielleicht.«
    »Und wie lange hättest du, wenn du die

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