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Dinner mit Rose

Dinner mit Rose

Titel: Dinner mit Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Hawkins
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dieser Bursche, der die höchsten Berggipfel überquert und dabei seinen eigenen Urin trinkt.«
    »Du kannst auch Urin statt Kaffee haben, um das Überlebensexperiment zu vervollständigen«, bot ich an.
    »Irgendetwas muss ich mir doch für meinen nächsten Besuch aufheben.«
    Ich lächelte ihn an. »Danke, dass du gekommen bist. Ich habe dich vermisst.«
    Stu erwiderte das Lächeln. »Gern geschehen«, sagte er. »Soll ich Graeme erzählen, dass du eine heiße Affäre mit deinem sexy Jugendfreund hast?«
    Einen Moment lang war ich versucht, einzuwilligen – im Halbschlaf hatte ich Graeme einmal im Bett »Matt« genannt, was er mir die nächsten drei Jahre lang bei jeder Auseinandersetzung vorgehalten hatte. Aber bei meiner derzeitigen Pechsträhne würde dann sicher Graeme bei Tante Rose anrufen, um mir zu sagen, das Haus sei eingestürzt oder explodiert oder etwas ähnlich Kostenintensives sei passiert, und Matt würde ans Telefon gehen und meine Lügengeschichte auffliegen lassen. »Nein«, entgegnete ich. »Sag ihm nur, dass ich sehr glücklich bin und wie eine Göttin aussehe.«

    Stu brach am späten Morgen zum Flughafen auf. »Danke, dass ich hier übernachten durfte, Rose«, sagte er, als er nach seiner Reisetasche griff.
    Rose erhob sich, prächtig anzusehen in ihrem roten Morgenrock und an diesem Tag mit einer wasserstoffblonden Perücke auf dem Kopf. »Mein lieber Junge, es war mir ein Vergnügen.«
    »Wir sehen uns, wenn ich das nächste Mal zu Besuch komme.«
    Sie lächelte. »In diesem Fall solltest du ziemlich schnell wiederkommen.«
    Stu legte behutsam die Arme um sie und küsste sie auf die Wange. »Die Ungerechtigkeit des Lebens widert mich an«, sagte er.
    »Mich auch«, stimmte ihm Rose zu. »Aber es hat keinen Sinn, sich darüber zu beklagen. Und fahr vorsichtig, junger Mann. Heute Morgen dürfte es eigentlich nicht glatt sein, aber die Straßen weiter südlich könnten unter Wasser stehen.«
    Nachdem er fort war, holte ich Roses alten Staubsauger aus dem Schrank und begann widerwillig mit der Hausarbeit. Ich hasste diesen Staubsauger, und er hasste mich; es war ein uralter Tellus, der an jedem Türrahmen hängenblieb, umkippte und die Schnur aus der Steckdose riss, nur um mich zu ärgern. Das Haus war zugig und kalt, und mir wurde auf einmal der eklatante Gegensatz zwischen dem Schrubben altmodischer Toilettenschüsseln in Waimanu und meinem sonntagmorgendlichen Aerobickurs und dem anschließenden Brunch mit Freunden in Melbourne deutlich bewusst. Vor Stus Besuch hatte ich fast vergessen, dass ich einmal schicke Kleider gekauft, Cappuccino getrunken und in einem modernen Krankenhaus mit geistreichen, intelligenten Kollegen gearbeitet hatte.
    »Josephine, wisch den Fußboden nicht mit Spülmittel«, sagte Tante Rose, als sie an der Badezimmertür vorbeikam. »Das hinterlässt Streifen. Unter der Spüle neben der Waschmaschine steht Ammoniak.«
    Ich hatte während der letzten zehn Jahre Böden stets mit etwas Spülmittel in heißem Wasser gewischt und nie Probleme mit Streifen gehabt. Wenn man daran gewöhnt ist, erwachsen und Hausbesitzer zu sein, fällt es schwer, sich vorschreiben zu lassen, was man zu tun hat – heutzutage halte ich es gerade einmal ein Wochenende mit meiner Mutter aus, ohne wahnsinnig zu werden. »Prima«, murmelte ich. »Dann riecht das ganze Haus wie ein Urinal.« Trotzdem griff ich nach dem Eimer und ging Ammoniak holen.
    Rose kam in die Küche, als ich das Wischwasser gerade in das altmodische Betonspülbecken neben der Waschmaschine kippte.
    »Kindchen.« Sie lehnte sich steif gegen den Türrahmen. »Mach dir wegen des Bodens keine Gedanken, er sieht gut aus.«
    Heiße Tränen brannten hinter meinen Lidern. »Es tut mir leid, Tante Rose.«
    »Ich weiß, dass es nicht leicht für dich ist.«
    Ich drehte mich zu ihr um. »Für mich ist es sehr viel leichter als für dich, und du führst dich nicht wie ein schmollender Teenager auf.«
    Rose ließ sich langsam auf die Chaiselongue sinken. »Das kommt wahrscheinlich noch. Ich bin sicher, dass ich mit Bitterkeit, Wut und Depressionen rechnen muss, bevor sich Resignation einstellt. Wird das nicht lustig?«
    Ich versuchte mir ein Lächeln abzuringen. »Ich kann es kaum erwarten.«
    »Warum gehst du nicht ein bisschen spazieren? Nimm einen Stock und drisch auf irgendetwas ein – dann geht es dir besser, du wirst sehen.«
    Ich wollte gerade etwas erwidern, bemerkte aber, dass meine Kehle wie zugeschnürt war und ich keinen Ton

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