Dirty Talk
gebildet und all das – sie unterschied sich im Grunde nicht von den Frauen, die sich ins Frauenhaus flüchten, die armen, dummen Seelen. Sie wusste auf der rationalen Ebene, was er tat. Und sie akzeptierte es. Ich hingegen lernte schnell, mich zur Wehr zu setzen, damit er seinen Frust nicht an mir ausließ, wenn er betrunken war. Und das war ein Fehler.“
„Warum?“ Sie wartete auf seine Antwort. Ihr Löffel verharrte auf halbem Weg zum Mund.
„Wenn er einen von uns Kindern geschlagen hätte, hätte sie ihn vielleicht eher verlassen.“
„Das glaubst du wirklich?“
„Ich habe ihn einmal niedergeschlagen, und sie warf sich verrückt kreischend auf mich, als hätte ich ihn umbringen wollen.“ Er schmierte Butter auf ein Stück Brot. „Sie hat ihn verlassen, und ich ging kurz darauf in die Staaten. Ein Jahr vorher hatte ich Elise kennengelernt, und wir wollten heiraten. Ich dachte, ich hätte einen klaren Schnitt gemacht. Aber du schaffst es nie, einen klaren Schnitt zu machen, wenn’s um die Familie geht.“
„Das tut mir sehr leid.“ Es war die angemessene Antwort, aber hinter den Worten glaubte er, eine tiefe Zuneigung zu spüren.
„Danke.“
„Darum engagierst du dich also ehrenamtlich für das Frauenhaus“, fügte sie hinzu.
„Ja. So eine Art Abbitte für die Sünden meines Vaters. Und ich mag die kleinen Kinder. Ich vermisse es, meine Nichten und Neffen beim Aufwachsen begleiten zu können. Es sind inzwischen acht. Wir sind ein fruchtbarer Haufen.“
„Und darum trinkst du nicht.“
„Genau. Alkohol trinken ist nicht gerade klug, wenn man meine Gene hat.“
„Weißt du, es gibt Selbsthilfegruppen für erwachsene Kinder, deren Eltern Alkoholiker …“
„Nein. Kommt nicht infrage.“ Er zeigte mit dem Finger auf sie. „Hör zu, Jo, ich habe das versucht, und es gab nur einen zweiten Mann in der Gruppe. Die Hälfte der Frauen hat mich angebaggert.“
Sie kicherte. „Nun bilde dir bloß nichts ein.“
„Ich fand es irgendwie obszön. Und erwachsene Kinder … Du meine Güte. Ich hasse diesen Begriff.“ Er sah einen Ausdruck über ihr Gesicht huschen, den er nicht recht deuten konnte. „Es gibt so Phasen im Leben, da muss man sich einfach zusammenreißen und allein drüber hinwegkommen. Jeder ist auf die eine oder andere Art verkorkst.“ Er legte die Tüte mit Tiefkühlerbsen wieder in seinen Nacken. Der Kater inspizierte seine Suppenschüssel, bis Jo ihn beiseiteschob. Dann stieg er auf Patricks Brust und kuschelte sich warm, schwer und schnurrend an ihn.
„Du kannst ihn auch einfach wegschieben, wenn er dich nervt. Noch mehr Suppe? Ich geb dir auch eine saubere Schüssel“, fügte sie hinzu. „Wie wär’s mit Tee? Ich habe einen, der heißt Irish Breakfast.“
Er nahm den Tee, auch wenn er nicht wusste, ob das eine gute Idee war. Elise hatte immer behauptet, dass er ein Teesnob war. Dabei stimmte das gar nicht. Einmal hatte sie ihn in ein Geschäft mitgenommen, das außergewöhnliche Teesorten aus aller Welt anbot, und er hatte festgestellt, dass Tee, je teurer er war, umso mehr nach feuchtem Keller stank. Er mochte die Teesorte, die er sein Leben lang schon trank: stark genug, dass sich die Haare auf der Brust aufstellten, und mit einem ordentlichen Schuss Milch versetzt, der ihm die perfekte, cremige Färbung verlieh. Seine Großmutter hatte das immer „eine richtig gute Tasse Tee“ genannt.
Erstaunlich war, dass sie es wirklich richtig hinbekam. Sie servierte den Tee mit einem eleganten Knicks, der fließend in einen Schneidersitz überging, als sie sich auf dem Teppich niederließ. Das Mädchen musste echt gewaltige Oberschenkelmuskeln haben.
„Ach, es geht doch nichts über eine irische Teezeremonie“, sagte sie, als er den ersten Schluck nahm.
„Der schmeckt großartig, danke. Erzählst du mir jetzt von deiner schrecklichen Vergangenheit?“
Sie grinste. „Ich glaube, ich habe eher eine schreckliche Gegenwart.“
„Nein, ich meine das da.“ Er zeigte auf den Fernsehschirm, der inzwischen nur noch blau war und leise rauschte. „Erzähl mir über deine Vergangenheit als Tänzerin.“
„Ach … Warum glaubst du, das sei Teil meiner schrecklichen Vergangenheit?“
„Dein Gesichtsausdruck, als du vorhin ins Zimmer gekommen bist, hat dich verraten. Die Anspannung in deinem Körper. Und mal ehrlich, ich war zu neugierig. Ich glaube, ich hätte lieber Casablanca einlegen sollen.“
Sie stand auf und nahm die Fernbedienung von der Sofalehne.
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