Disco Dracula
Sonne.
Die Straße war stärker befahren. Mittagszeit. Eine Straßenbahn rasselte vorbei. Menschen mit Einkaufstüten und sommerlich bekleidet, passierten uns.
»Richtig friedlich, nicht?« fragte Christian Schwarz, als wir die Fahrbahn überquerten.
»Kann man wohl sagen.«
»Scheuen Vampire nicht das Sonnenlicht?« wollte er wissen.
»Alte schon.«
»Was heißt das denn?«
»Nun, die neueren Vampire haben sich angepasst. Sie sind zwar tagsüber etwas geschwächt, aber sie können das Licht der Sonne durchaus vertragen, ohne sich gleich in Staub aufzulösen.«
Auf dem Gehsteig blieb der Kommissar stehen. »Wenn man Sie so reden hört, könnte man meinen, dass diese komischen Flattermänner tatsächlich existieren.«
»Ich überlasse es Ihnen, dies zu glauben. Und hoffentlich werden Sie nicht auf eine schlimme Art und Weise mal vom Gegenteil überzeugt, Herr Schwarz.«
»Das glaube ich nicht.«
»Ansichtssache.«
Wir verließen den Gehsteig und schritten dem Eingang der Disco entgegen. Im hellen Mittagslicht machte das Gebäude keinen unheimlichen Eindruck. Selbst die Scheiben wirkten nicht mehr so schmutzig, seit sie von den Sonnenstrahlen berührt wurden.
Horroratmosphäre gab es hier nicht. Vielleicht sah dies bei Dunkelheit anders aus.
Ich lief nicht unbewaffnet herum. Beretta und Dolch trug ich bei mir.
Natürlich auch das Kreuz. Es war eine Selbstverständlichkeit. Ohne mein Kruzifix wäre ich mir sehr hilflos vorgekommen. Wir passierten den Teich, wo wir einige Vögel aufschreckten, die nahe dem Gewässer auf einer Wiese hockten.
Wenig später standen wir wieder auf dem Parkplatz, an dem auch die alten Stallungen lagen.
»Da wollen Sie wirklich rein?« erkundigte sich Kommissar Schwarz noch einmal.
»Ja.«
»Meinetwegen.« Er legte seine Hand auf die verrostete Klinke und probierte, ob er die Tür aufziehen konnte. Sie war verschlossen. Ich hatte mit der zweiten auch kein Glück, dafür jedoch mit der dritten Tür.
»Hierher«, sagte ich.
Schwarz kam. »Es wundert mich, dass sie so offen ist«, sagte er.
»Wieso?«
»Als wir den Stall durchsuchten, waren sämtliche Türen fest verschlossen.«
Wir gelangten in den Stall und damit auch in einen schmalen Gang. Ich war vorgegangen und roch den Mief als erster. Es war wirklich ein Mief.
Hier musste mal gesäubert werden, doch da der Stall nicht mehr benutzt wurde, hatte dies auch niemand für nötig gehalten. Da es keine Fenster gab, ließen wir die Tür auf, damit wenigstens etwas Licht hineinfiel.
Es verlor sich sehr schnell, und am Ende des Ganges ballte sich die Dunkelheit.
Langsam ging ich vor. Unter meinen Sohlen blieben Strohreste kleben.
Rechts von mir befanden sich die leeren Boxen. Früher hatten hier Pferde gestanden. Nicht alle Schwingtüren waren noch vorhanden. Die restlichen stieß ich der Reihe nach auf, um in die Boxen hineinzuschauen.
In fast jeder fand ich noch Pferdekot. Niemand hatte es für nötig gehalten, hier zu säubern. Auch auf dem Boden lag Stroh, die Wände waren zum Teil verkratzt.
Je weiter wir durchgingen, um so düsterer wurde es. Ich holte meine Bleistiftleuchte und knipste sie an. So hatten wir wenigstens etwas Licht.
Kommissar Schwarz war dicht hinter mir geblieben. »Sie können mir glauben, Kollege, hier finden wir nichts. Und wenn wir rauskommen, dann stinken wir.«
»Macht auch nichts.« Ich hatte inzwischen das Ende der Boxenreihe erreicht und stand im Dunklen.
Der Kommissar kam mir entgegen. Er war nur schattenhaft zu erkennen.
Ich sah, wie er die Hand hob. »Nichts zu finden«, erklärte er. »Wie schon bei der ersten Durchsuchung.«
Ich drehte mich halb zur Seite und ließ den feinen Strahl der Lampe in Richtung Decke wandern. Sie erschien mir überraschend hoch, und der Lichtpunkt verlor sich im Gebälk.
»Was ist das denn da?« fragte ich.
»Der Anbau.«
»Den habe ich von draußen nicht gesehen«, sagte ich und schwenkte den Arm.
Ober mir befand sich ein regelrechter Speicher oder eine Tenne, wo man früher Stroh gedroschen hatte. Sogar eine Leiter sah ich, die nach oben führte.
»Wollen Sie da hoch?« fragte der Kommissar.
»Sicher.«
»Dort haben wir auch schon gesucht und nichts gefunden.«
»Ich aber nicht.«
»In Gottes Namen, ich marschiere mit Ihnen«, stöhnte Christian Schwarz.
Dass er keine Lust hatte, konnte ich verstehen. Es war für ihn zu langweilig, durch den alten Stall zu krauchen. »Dabei hätte ich mich hinlegen und schlafen können«, beschwerte er
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