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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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Stricken angebunden, damit sie die Hütte ihres Besitzers bewachten. Andere waren freundlich zu den Menschen, ohne wirklich Haustiere zu sein: streunende Hunde, die gutherzige Leute gefunden hatten, Hunde, die sich nach Wärme und Zuneigung sehnten. Diese Hunde gaben ihre Freiheit nicht auf. Die Menschen, denen ihre Liebe galt, waren großzügig zu ihnen, fühlten sich von der Zuneigung des Hundes geschmeichelt, doch keiner besaß den anderen. Ihre Wege konnten sich auf genauso unerklärliche Weise trennen, wie sie sich getroffen hatten. Die Hunde, die sich am Rande der Siedlung herumdrückten, waren ängstliche Streuner, kranke Hunde, verkrüppelte Hunde, die erst näher heranschlichen, wenn sich die Gelegenheit bot, einen Bissen zu ergattern. Andere waren wie Mamotschka und Brauner Bruder: wild lebende Rudeltiere. Diese Hunde kannten sich alle und wussten, wer einem starken oder einem schwachen Rudel angehörte und ob sie ihm mit Respekt oder mit ritueller Aggression gegenübertreten mussten. Die Haushunde und die Rudelhunde waren die einzigen halbwegs dauerhaften Bewohner. Die anderen kamen und gingen.
    Im Dorf und im direkt dahinter gelegenen Wald waren alle Pfade offen. Kein Rudel konnte sie schließen: Die Gegend war zu reizvoll als Nahrungsquelle und zu gefährlich. Hin und wieder stürmten Männer in Uniformen das Dorf, rissen alles nieder, verhafteten die Menschen oder raubten sie aus und töteten die Hunde; doch ein, zwei Tage später war das Dorf wieder aufgebaut.
    Bei jenem ersten Mal führte Mamotschka sie rasch weiter. Sie umkreisten das Dorf und sahen viele Hunde und Menschen. Romotschka sah einen blinden Hund, einen dreibeinigen Hund und vier oder fünf jämmerlich aussehende Artgenossen, die mit Stricken angebunden waren. Mamotschka bedeutete ihnen, dass man vor manchen Hunden, die ihnen begegneten, Angst haben musste und vor anderen nicht, doch weder Romotschka noch Brauner Bruder wussten, warum.
    Kein Hund war ein Freund. Alle Menschen waren gefährlich.
    Der Streifzug gab Romotschka zu denken. Er lag mit den anderen in der Höhle und sah immer wieder die Feindseligkeit fremder Hunde vor sich. Er sah, wie die vier Männer den anderen Mann verprügelten. Er hörte wieder das Geschrei und die Gesprächsfetzen, die aus den Hütten drangen.
    »Aljoscha! Hol mal den Fleischwolf von Kyrill!« » Uschas , Walodja! Wasch dich im Teich!« »Ich mach Hackfleisch aus dir, verlass dich drauf!« » Schwa-harzer Raa-be, La la laa li la … sag mir … la la li laa … «
    Ihm gingen all die Bilder von Müttern und kleinen Kindern im Hüttendorf durch den Kopf, die durch einen tiefen Graben von ihm getrennt waren. Ältere Kinder gab es dort nicht.
    Mamotschka nahm jeden der Welpen der Reihe nach mit ins Dorf, damit sie alles über Hunde und Menschen lernten, und da Romotschka zu Mamotschkas Trupp gehörte, war er jedes Mal dabei. Oft fanden sie dort Ratten, doch immer, wenn sie eine gefangen hatten, mussten sie darum kämpfen. Mit Mamotschkas Hilfe gelang es ihnen meistens, die Ratte zu behalten, aber sie mussten lernen, wann sie sich anderen beugen mussten. Als Romotschka zum ersten Mal sah, wie Mamotschka, Auge in Auge mit einem großen schwarzen Hund, die Ratte fallen ließ und mit gesträubtem Fell steifbeinig abdrehte, war er bestürzt. Danach lernte er,woran man die einzelnen Mitglieder des Waldrudels erkannte. Sie gehörten einem viel größeren Rudel an, das schon lange bestand und seine Höhle irgendwo im Wald hatte. Mamotschka mied deren geschlossene Pfade. Jedes Mal, wenn sie einen dieser Hunde sah oder roch, sträubte sich ihr das Fell, und Romotschka lernte allmählich, die Zeichen zu lesen und selbst vorsichtig zu sein. Mit der Zeit stellten sich dann auch bei ihm die Nackenhaare auf, und er entwickelte unwillkürlich ein Gespür für Reviergrenzen.
    Bei ihren ersten Streifzügen stellte Romotschka entgeistert fest, was für einen schlechten Hund er abgab. Er war wieder völlig auf seine vier Geschwister angewiesen, um richtig und falsch unterscheiden zu können, und Mamotschka ließ ihn nur in ihrer Begleitung auf Nahrungssuche gehen, da sie ihm nicht zutraute, allein auf sich Acht zu geben. Wenn er sich über die Regeln ärgerte und herumalberte oder die anderen zum Spielen verleiten wollte, biss sie ihn.
    Am meisten quälte es ihn, dass er zu nichts zu gebrauchen war. Wenn er in der Höhle lag und daran dachte, verspürte er im Herzen einen Stich. Vor seinem geistigen Auge sah er die vier

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