Dog Boy
muskulösen Körper und das dichte Fell seiner Mutter. Im Dunkel der Höhle erkannte man ihn an seiner Gesichtsmaske, die übereinem hellen Dreieck auf seiner Brust, seinem hellen Bauch und den hellen Beinen schwebte. Schwarzer Rüde schwankte zwischen Mut und Feigheit, war tollkühn, bis ihn die Angst übermannte. Dann wurde er heimtückisch oder ängstlich oder zeigte eine seltsame Mischung aus beidem.
Eine Zeitlang war Romotschka so etwas wie ein fünfter Welpe, der ernährt und beschützt werden musste. Er wurde geschubst, gestoßen, gebissen und geleckt. Er wurde zurechtgewiesen und gedemütigt. Stets bemühte er sich, alles richtig zu machen, und war tief getroffen, wenn er durch ein Knurren zur Unterwerfung gezwungen wurde. Eine Weile eiferte er den Welpen in allem nach, was sie taten. Doch sie wuchsen schnell und schienen ihm bald in jeder Hinsicht überlegen zu sein. Er übte, sich ebenso geschmeidig zu bewegen wie sie, versuchte zu hören, was sie hörten, und Mamotschka bereits zu wittern, bevor sie auftauchte.
Doch er konnte auch vieles, das sie nicht konnten: zum Beispiel Mamotschka streicheln, während er an ihren Zitzen trank.
~
Die Wochen gingen dahin, und Romotschka lebte wie in einem Traum. Seine tierischen Gefährten rieben sich im Dunkeln an ihm, bis er selbst zu einem Tier wurde. Tag und Nacht flimmerten im Hintergrund eines dringlicheren Zyklus: Kälte und Wärme, Hunger und ein voller Bauch. Wenn die Hunde nicht auf Nahrungssuche waren und ihn ihrer Wärme beraubten, bis sie irgendwann mit kaltem, feuchtem Fell oder eisiger, schneebedeckter Mähne zurückkehrten, verschwand die alte Welt dort oben aus seinen Gedanken, beschränkte sich auf die Gerüche der Hunde und die vielen verschiedenen Mahlzeiten, die sie mitbrachten.Ratten, Mäuse, Enten oder Maulwürfe, einmal sogar ein Brathähnchen. Ein andermal kehrten alle mit Broten zurück, dann wieder mit kalten, aber gekochten Kartoffeln im Maul. Romotschka gewöhnte sich schnell daran, alles zu essen, was sie ihm gaben. Stundenlang sog und kaute er an den kleinen Knochen. Mamotschka behandelte ihn mit entwaffnender Aufmerksamkeit. Sie achtete darauf, dass er wie ihre vier Welpen seinen Anteil erhielt. Sie drückte ihn mit der Pfote zu Boden und leckte ihn sauber. Er ließ sich alles gefallen – obwohl er groß und vielleicht auch stark genug war, um sie daran zu hindern –, so sehr freute er sich dazuzugehören. Wenn Mamotschka weg war, schlief er in einem Knäuel warmer Körper oder spielte mit den Welpen und übte sich im Knurren und Kläffen.
Goldene Hündin und Schwarzer Rüde fanden sich widerspruchslos damit ab, dass auch sie für Romotschka sorgen mussten. Er konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als ihre Gesichter ihm fremd gewesen waren und ihr Geruch unbekannt, sah noch ihre Augen vor sich, als sie ihn fressen wollten. Er war froh über die Veränderung und betrachtete nun sein Spiegelbild in ihren Augen. Meistens behandelten sie ihn wie einen fünften Welpen, begrüßten ihn flüchtig, wenn sie heimkamen, und ließen ihn dann links liegen; sie schnappten nach ihm, wenn er es beim Spielen übertrieb, und knurrten ihn an, wenn er sich ihnen beim Fressen näherte. Doch Romotschka konnte etwas, was kein Welpe je beherrschen würde. Er konnte sich aufrichten und seine Augen und sein Gesicht hoch über das ganze Rudel erheben. Auf ihre Art liebten ihn die drei großen Hunde und sorgten genauso für ihn wie für jeden der Welpen. Doch nahezu unmerklich entdeckten sie auch eine seltsame Freude daran, ihm gefällig zu sein. Goldene Hündin begann eines Tages, ihn zu beobachten und zu belauschen. Und Schwarzer Rüde roch nicht bloß zur Begrüßung an ihm, sondern oft auch aus Neugier.
Die Welpen gaben Romotschka Wärme und schlichte körperliche Freuden. Sie waren seine vier Spielkameraden. Anfangs konnte er sie kaum unterscheiden, doch den weißen erkannte er im Dunkeln am besten, deshalb packte er ihn auch öfter als die anderen und zog ihn an sich – auf diese Weise begann seine enge Beziehung zu Weiße Schwester schon, bevor er sie richtig kannte. Nacht für Nacht an Romotschkas Körper gedrückt, versuchte sich Weiße Schwester ihm anzupassen, nicht bloß seinem Körper, sondern auch seinen Stimmungen und Gedanken.
Die Temperatur sank stetig, und die Tage wurden kürzer. Anfangs trug Romotschka in der Höhle nur wenige seiner Kleidungsstücke, so warm waren die Körper der Welpen; doch Stück für Stück legte er
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