Dogma
verschwommenem Blick sah er Keskin vor sich. Der Mann starrte zurück, die Augen weit aufgerissen, und stieß röchelnd einen Blutschwall aus. Reilly fühlte sich ohnmächtig und von einem Zorn überwältigt, wie er ihn noch nie erlebt hatte – als brodle tief in seinem Inneren ein Kessel voll purem Hass. Er spürte, wie seine letzten Kräfte schwanden, und die Vorstellung, das Bewusstsein zu verlieren und in einen tiefen, dunklen Schlaf zu fallen, erschien ihm verlockend, bis ein einziges Wort Benommenheit und Zorn durchdrang und ihn daran erinnerte, auf wen der Bomber gerade zuraste.
Tess.
Tess hörte die Explosion und fuhr zusammen.
Das gehörte nicht zum Plan. Schlimmer noch, es klang nach einer viel zu großen Explosion. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Waffen, die Reilly und das Einsatzkommando bei sich hatten, etwas Derartiges anrichten konnten. Das bedeutete, jemand anders musste es verursacht haben. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut – vor allem wenn man bedachte, wie professionell der Mann, auf den sie Jagd machten, mit Sprengstoff umging.
Tess schaltete die Taschenlampe aus, in deren Schein sie die mitgebrachte Karte der Region studiert hatte, und sah zum Berg hinauf. Die Sekunden verstrichen quälend langsam, dann folgten weitere Explosionen, kleinere, gedämpft klingende, aber doch Explosionen, die von den Felswänden widerhallten. Schließlich ertönten vereinzelte Schüsse. Es klang, als würde dort oben die Schlacht um Iwojima ausgetragen.
Die Kommandopolizisten um sie herum waren ebenso erschrocken wie sie selbst. Von dem hastigen Wortwechsel auf Türkisch verstand sie zwar nichts, aber die Körpersprache der Männer sagte genug. Auch sie wussten nicht, was los war. Einer griff nach seinem Walkie-Talkie und rief mit äußerst beherrschter Stimme über Funk die anderen. Keine Antwort. Er versuchte es noch einmal, diesmal hörbar alarmiert. Wieder nichts.
Dann ertönte von fern das Dröhnen eines Dieselmotors, der stark strapaziert wurde, um den schweren Geländewagen am steilen Hang zu bremsen. Tess konnte keine Scheinwerfer sehen, doch im blassen Mondlicht erkannte sie ein dunkles, kastenförmiges Fahrzeug, das rasant um eine Haarnadelkurve bog, ehe es wieder außer Sicht verschwand. Die Paramilitärs hatten es ebenfalls gesehen und machten sich einsatzbereit. Unter gegenseitigen Zurufen brachten sie die Waffen in Anschlag und klappten die Linsen ihrer Nachtsichtbrillen herunter. Einer der Männer packte mit der freien Hand Tess am Arm, brachte sie hinter einem leicht gepanzerten Cobra in Sicherheit und bezog dann Position, um sie zu decken. Die anderen duckten sich hinter zwei Humvees, die ebenfalls dort standen. Alle vier warteten.
Weitere nervenzerfetzende Sekunden verstrichen; das Motorengeräusch veränderte sich mit jeder Serpentine, bis schließlich der Wagen erschien. Ein dunkler Schemen, der sich direkt auf sie zubewegte.
Die Kommandopolizisten zögerten, unsicher, ob sie das Feuer eröffnen sollten – und dann leuchteten plötzlich die Scheinwerfer des Geländewagens grell auf.
Blendend grell.
Die Männer rissen sich die Nachtsichtbrillen herunter, aber es dauerte kostbare Sekunden, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, und in diesen Sekunden waren sie ausgeliefert. Die erste Salve Pistolenschüsse traf einen der Kommandopolizisten wie ein Peitschenhieb und riss ihn zur Seite. Die nächste war auf den Humvee gerichtet, den der andere Soldat als Deckung benutzte. Kugeln schlugen in die Karosserie ein und zerfetzten das Segeltuchverdeck.
Tess kauerte sich zusammen und hielt sich die Ohren zu, während der Kommandopolizist, der sie schützte, sich aus der Deckung beugte und in rascher Folge mehrere Salven aus seinem MP 5-Maschinengewehr abfeuerte. Die Kugeln zerschlugen einen Frontscheinwerfer des Geländewagens und bohrten sich in den Kühlergrill, aber der Wagen kam unaufhaltsam näher und steuerte jetzt direkt auf den Humvee zu. Er traf den breiten Jeep am vorderen linken Kotflügel, sodass das Fahrzeug nach rechts herumgeschleudert wurde und den zweiten Soldaten von den Füßen riss. Mit unglaublicher Schnelligkeit und Präzision machte Zahed eine Vollbremsung, sprang aus dem Wagen, rannte um das Heck herum und schoss zweimal auf den am Boden liegenden Kommandosoldaten.
Jeder der Schüsse war von einem Schmerzensschrei begleitet, gefolgt von grausigem, gequältem Stöhnen. Tess warf einen raschen Blick zu ihrem Beschützer – ihr war
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