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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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nur ein Zittern. Er half ihr auf den Beifahrersitz, und plötzlich überfiel sie wieder dieser Geruch, nicht nur unterschwellig, sondern streng und aufdringlich - der ekelhafte süßliche, pestilenzartige Geruch von verwesendem Fleisch. Sie spürte, wie dieser Geruch ihr Gehirn mit einer wahnsinnigen Angst füllte, und sie dachte: Das ist der Geruch ihrer Wut…
    Die Welt vor der Windschutzscheibe bekam plötzlich Schlag-seite. Sie lehnte sich aus dem Wagen und erbrach sich.
    Dann war alles nur noch ein leeres, eintöniges Grau…
    »Bist du sicher, daß jetzt alles wieder okay ist?« fragte Arnie sie, wie ihr schien, zum hundertstenmal. Er würde sie jetzt nicht mehr viel öfter danach fragen können, stellte Leigh mit einiger Erleichterung fest. Sie fühlte sich sehr, sehr müde. In ihrer Brust war ein dumpfes, schmerzhaftes Pochen, in ihren Schlä-
    fen auch.
    »Ich bin jetzt wieder okay.«

    »Gut. Gut.«
    Er bewegte sich unschlüssig, als ob er gehen wollte, sich aber nicht sicher war, ob sich das jetzt schon gehörte; vielleicht nicht eher, bis er die ewige Frage mindestens noch einmal wiederholt hatte. Sie standen vor dem Cabotschen Haus. Die Fenster warfen gelbe Rechtecke auf den frischen, unberührten Schnee.
    Christine stand am Bordstein, tuckerte leise, das Parklicht eingeschaltet.
    »Du hast mich ganz schön erschreckt, als du plötzlich in Ohnmacht gefallen bist«, sagte Arnie.
    »Ich war nicht ohnmächtig. Nur ein paar Minuten lang benommen.«
    »Trotzdem hatte ich Angst um dich, weil ich dich liebe.«
    Sie blickte ihm ernst ins Gesicht. »Wirklich?«
    »Natürlich! Leigh, du weißt das ganz genau!«
    Sie holte tief Luft. Sie war furchtbar müde; aber es mußte gesagt werden, und zwar sofort. Denn wenn sie es jetzt nicht sagte, würde ihr das, was da vorhin passiert war, morgen früh absolut lächerlich vorkommen - oder vielleicht war lächerlich noch ein viel zu mildes Wort dafür, dann würde die Vorstellung allein schon wahnsinnig sein. Ein Geruch, der kam und ging wie ein Gespenst aus der Gruft in einem billigen Schauer-roman? Skalen auf einem Armaturenbrett, die sich in Augen verwandelten? Und - dieses wahnwitzige Gefühl, daß der Wagen tatsächlich versucht hatte, sie umzubringen?
    Morgen würde sogar die Tatsache, daß sie um ein Haar erstickt wäre, nur noch ein leiser, ziehender Schmerz in ihrer Brust sein, verbunden mit der Überzeugung, es wäre nichts gewesen, kein Abspringen von der Schippe im letzten Augenblick.
    Nur - es war alles wahr, und Arnie wußte es - ja, ein Teil von ihm wußte es - deshalb mußte es jetzt gesagt werden.
    »Ja, ich glaube, daß du mich wirklich liebst«, sagte sie bedächtig. Sie sah ihn unverwandt an. »Aber ich werde niemals mehr mit diesem Wagen irgendwohin fahren. Und wenn du mich wirklich liebst, wirst du dich von ihm trennen.«
    Der Ausdruck des Entsetzens auf seinem Gesicht war so plötzlich und so überwältigend, als hätte sie ihm eine Ohrfeige gegeben.

    »Wovon - wovon redest du überhaupt, Leigh?«
    War es Entsetzen, das ihm dieses geohrfeigte Aussehen gab?
    Oder waren es Schuldgefühle?
    »Du hast gehört, was ich sagte. Ich glaube nicht, daß du dich davon trennen wirst - ich weiß nicht, ob du das überhaupt noch fertigbringst -, aber wenn du mit mir irgendwohin willst, Arnie, nehmen wir den Bus. Oder fahren per Anhalter. Oder fliegen. Aber ich werde nie mehr in deinem Wagen fahren. Es ist eine Todesfalle.«
    Da. Sie hatte es gesagt. Es war heraus.
    Der Schock auf seinem Gesicht verwandelte sich nun in Ärger - in diese blindwütige, sture Art von Zorn, den sie in jüngster Zeit so häufig beobachtet hatte. Nicht nur bei großen Dingen, sondern oft Kleinigkeiten wegen - eine Frau, die bei Gelb noch über die Kreuzung geht, ein Verkehrspolizist, der den Verkehr stoppt, wenn Arnie gerade noch durchwitschen wollte - dieser Zorn, kam es ihr nun mit der ganzen Gewalt einer Offenbarung zu Bewußtsein, der zu Arnies sonstigem Wesen gar nicht paßte, war immer mit diesem Wagen verbunden. Mit Christine.
    »>Wenn du mich liebst, wirst du dich von ihm trennen<«, wiederholte er. »Weißt du, wie du dich anhörst?«
    »Nein, Arnie.«
    »Wie meine Mutter. Du sprichst genau wie sie.«
    »Das tut mir leid.« Sie würde sich nicht in einen Streit hineinziehen lassen, sie würde sich nicht verteidigen oder die Sache einfach damit beenden, daß sie nichts für ihn empfunden hätte. Ihr erster Eindruck - daß hinter dieser verschlossenen, schüchternen Fassade ein

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