Dokument1
Zündkapseln, Drähte und einen elektrischen Auslöser. Trotzdem verteidigte ich diese Idee, so lange ich konnte.
»Und wenn wir es nachts machen?«
»Das ist immer noch zu gefährlich«, erwiderte sie. »Das weißt du so gut wie ich. Man kann dir das vom Gesicht ablesen.«
Eine lange, lange Schweigeminute.
»Und wie wäre es mit der Schrottpresse, die auf Darnells Autofriedhof steht?« fragte sie schließlich.
»Die gleiche grundsätzliche Schwierigkeit wie vorher - wer soll sie hinfahren? Du, ich oder Arnie?«
Und das war der Stand der Dinge.
»Was wollte er heute?« fragte ich sie.
»Er wollte heute abend mit mir ausgehen«, sagte sie. »Diesmal auf die Bowlingbahn.« Früher war es ein Abendessen gewesen, ein Kinobesuch, ein Fernsehfilm bei sich zu Hause, gemeinsames Büffeln des Lehrstoffs. Dabei spielte jedesmal Christine als Transportmittel eine wesentliche Rolle. »Er wird inzwischen ziemlich unangenehm, und mir gehen die Ent-schuldigungen aus. Wenn wir etwas unternehmen wollen, müssen wir es bald tun.«
Ich nickte. Nicht nur, daß wir noch keine zufriedenstellende Methode gefunden hatten - mein Bein war bisher ebenfalls ein Hindernis gewesen. Nun war mir endlich der Gips abgenommen worden, und obwohl mir der Arzt streng verboten hatte, mich ohne Krücken zu bewegen, hatte ich das linke Bein schon mit meinem vollen Gewicht belastet. Ein paar Schmerzen, aber längst nicht so schlimm, wie ich befürchtete.
Dies alles hatte uns beschäftigt - doch in der Hauptsache war es um uns beide gegangen. Um unser gegenseitiges Erfor-schen. Und auch wenn es ziemlich schäbig klingt, sollte ich noch etwas hinzufügen, weil ich versprochen habe, bei der Wahrheit zu bleiben (und mir selbst gelobte ich, als ich anfing, die Geschichte niederzuschreiben, daß ich sofort aufhören würde, wenn ich feststellen sollte, daß ich nicht bei der Wahrheit bleiben konnte). Das Kribbeln der Gefahr intensivierte meine Empfindungen für sie - und, ich glaube, auch ihre Empfindungen für mich. Er war mein bester Freund, und in der Vorstellung, daß wir uns hinter seinem Rücken trafen, lag ein schwüler Reiz des Verbotenen. Ich empfand das jedesmal, wenn ich sie in meine Arme nahm, wenn meine Hand über die feste Rundung ihrer Brüste strich. Die Heimlichtuerei. Können Sie mir verraten, warum das so reizvoll ist? Aber es war so.
Zum erstenmal in meinem Leben war ich verliebt. Ich war vorher schon in Mädchen verknallt gewesen, doch diesmal hatte es mich total erwischt. Und dieses Gefühl liebte ich. Ich liebte sie. Dieser allgegenwärtige Hauch des Betrugs… das war eine verbotene Frucht, Scham und Anreiz zugleich. Wir konnten uns gegenseitig versichern (und taten es auch), daß wir unser Verhältnis geheimhielten, um unsere Familien und uns selbst zu schützen.
Das war die Wahrheit.
Aber nicht ganz, Leigh, oder? Nein. Das war nicht alles.
In gewisser Hinsicht hätte nichts Schlimmeres passieren können. Die Liebe verzögert die Reaktionszeit; betäubt das Gefühl für Gefahr. Mein Gespräch mit George LeBay lag bereits zwölf Tage lang zurück, und wenn ich daran dachte, was er mir erzählt hatte - und, schlimmer noch, was er nur angedeutet hatte —, sträubten sich mir nicht mehr die Haare im Nacken.
Und dasselbe traf zu - oder traf eben nicht zu - auf die wenigen Gelegenheiten, wenn ich ein paar Worte mit Arnie wechselte oder ihn kurz auf dem Flur sah. Auf eine seltsame Art fühlte ich uns in den September oder Oktober zurückversetzt, als wir uns nur entfremdet hatten, weil Arnie so beschäftigt gewesen war. Und wenn wir uns unterhielten, wirkte er so umgänglich wie früher, obwohl die grauen Augen hinter den Brillengläsern immer kalt blieben. Ich wartete darauf, daß eine aufgelöste Regina oder ein verstörter Michael irgendwann anrief, um mir mitzuteilen, daß Arnie nicht mehr länger mitspielte und auf keinen Fall im Herbst das College besuchen würde.
Das geschah jedoch—nicht, und dann erfuhr ich aus erster Quelle - von »Motormund«, unserem Studienberater -, daß Arnie sich an der’Universität von Pennsylvanien und an der Drew-Universität beworben hatte.
Vor zwei Tagen hörte ich zufällig ein Gespräch zwischen meiner Mutter und Ellie in der Küche.
»Warum besucht uns Arnie eigentlich nicht mehr, Mom?«
wollte Ellie wissen. »Hatte er Streit mit Dennis?«
»Nein, Kleines«, erwiderte Mutter. »Das glaube ich nicht.
Aber wenn Freunde älter werden… dann gehen sie manchmal ihre eigenen
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