Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
öffentlichen Bereich mit einem hohen Tresen an einem Ende geöffnet. Der Tresen war jetzt fort, und die Kreideschrift auf der Schiefertafel zeigte keine Wettangebote, sondern die Namen von Marcus’ neuen Wachen und ihre Dienstzeiten. Alle vier warteten nun dort, wo sich Wettkunden herumgedrückt hatten, blickten aus den schmalen, verriegelten Fenstern und machten grobe Witze über die Leute, die auf der Straße vorbeigingen. Als Marcus eintrat, endete das Gelächter, und die neuen Wächter – zwei Erstgeborene, eine Kurtadam und ein junger Timzinae, den Marcus instinktiv eingestellt hatte – erhoben sich und gingen in Habachtstellung. Er würde mehr brauchen. Über ihnen knarzten die Dielen, auf denen Cithrin auf und ab ging.
»Tasche bereit?«
»Ja, Hauptmann Wester, Herr«, sagte die Kurtadam.
Marcus nickte ihr zu, und sein Verstand war plötzlich peinlicherweise wie leergefegt. Sie hatte breite Schultern und Hüften und Arme so dick wie die Beine. Ihr Pelz war glänzend schwarz, sogar noch schwärzer als die Schuppen des jungen Timzinae. Und ihr Name lautete … Edir? Edem?
»Enen«, sagte Yardem. »Du trägst das Geld. Barth und Corisen Mout nehmen die Spitze und die Nachhut. Der Hauptmann und ich sichern die Flanken.«
»Und ich?«, fragte der junge Timzinae. Die blinzelnden Membranen seiner Augen gingen in einem schnellen, nervösen Zucken auf und zu. Er war recht unkompliziert. Wie immer er hieß, jeder nannte ihn Schabe.
»Du bleibst hier und weckst die anderen, wenn etwas Interessantes passiert«, sagte Marcus. Schabe schien ein wenig enttäuscht, deshalb fuhr Marcus fort: »Wenn jemand einen Vorstoß zur Geldkassette wagt, wird es passieren, während der Großteil von uns fort ist. Halte die Tür verriegelt und stell die Ohren auf. Du wirst in größerer Gefahr sein als wir.«
Schabe salutierte zackig. Enen unterdrückte ein Lächeln. Die beiden Erstgeborenen gingen zur Waffentruhe und fingen an, die übelsten Waffen herauszusuchen, die die Königinnengarde sie auf den Straßen tragen ließ. Marcus wandte sich um und ging zurück zu der privaten Treppe, Yardem an seiner Seite.
»Ich werde diese Namen nie im Kopf behalten«, meinte Marcus.
»Das sagt Ihr jedes Mal, Herr.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Hm. Gut zu wissen.«
Die Räume, die so klein und vollgestopft erschienen waren, als es nur ihn, Yardem und Cithrin gegeben hatte – und den gestapelten Reichtum von Vanai –, waren zu einer respektablen Privatresidenz der neuen Vorsteherin der Medean-Bank geworden. Es war kaum mehr als ein Hinterzimmer mit ihrem Bett und Schreibtisch und vorne einem Besprechungszimmer mit einem kleinen, abgetrennten Klosett auf der Seite, aber Cithrin hatte hundert kleine Einzelheiten zusammengetragen und es verwandelt: zarte Stoffstreifen, die über den Fenstern hingen, ein kleines religiöses Bild, das sich in eine Ecke schmiegte, den kurzen Lacktisch, der im Augenblick mit alten Lieferaufzeichnungen und Abschriften von Frachtbriefen bedeckt war. Alles zusammen machte den Eindruck, dass hier eine Frau wohnte, die zweimal so alt war wie sie. Es war ein Kostüm, ganz ähnlich wie die, die Meister Kit und seine Schauspieler trugen, und eines, das Cithrin gekonnt zur Schau stellte.
»Ich brauche jemanden von der Hafenregistratur, der sich mit mir unterhält«, sagte Cithrin anstelle einer Begrüßung. »Die Handelsschiffe aus Narineiland werden bald kommen, und ich sollte besser wissen, wie das abläuft. Es sieht so aus, als würde sich die Hälfte des Handels der Stadt abspielen, wenn diese Schiffe eintreffen.«
»Ich werde sehen, was sich auftreiben lässt«, sagte Yardem.
»Wohin geht es heute?«, fragte Marcus.
»Zu einer Brauerin gleich außerhalb der Mauern«, erklärte Cithrin. »Ich habe sie in der Schenke getroffen. Ihre Gilde bewilligt ihr einen Austausch ihrer Bottiche, aber sie hat nicht genug Geld, um es sich zu leisten.«
»Also leihen wir es ihr.«
»Eigentlich darf sie keine verzinsten Darlehen annehmen«, sagte Cithrin und zog sich einen leichten Schal mit Perlen um die Schultern, den sie auf die Art drapierte, wie Meister Kit es ihr beigebracht hatte. »Gildenregeln. Aber sie darf Geld von Geschäftspartnern annehmen. Also kaufen wir uns in ihr Geschäft ein.«
»Ah«, sagte Marcus.
»Wenn sie nicht zahlen kann, sind wir in der Lage, ihr Geschäft zu übernehmen. Wenn ich eine Geschäftsbeziehung zu einem Böttcher und ein paar Schenken aufbaue, dann kann ich einen Kreislauf gegenseitiger
Weitere Kostenlose Bücher