Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
westlichen Horizont sichtbar. Ein Teil von ihm wollte aufs Pferd steigen, um weiter nach Westen zu ziehen. Die Bucht sollte nicht weiter entfernt sein, als sie beide bis Mitternacht reiten konnten. Im schlimmsten Fall würde man sie entdecken, und dann kam es wenigstens zu einem Kampf.
Aber seine Männer waren in Porte Oliva. Und Cithrin wartete auf Nachricht. Wenn sie weiterzogen, gingen sie ein Risiko ein, das sie nicht eingehen mussten, nicht jetzt, aber es war verlockend. Es beschwor eine Ruhelosigkeit herauf, die nach einem Ausweg suchte.
»Hauptmann?«
Sehen wir doch mal nach , lag es ihm locker und leicht auf der Zunge.
»Wir machen uns zur Stadt auf«, sagte er. »Wir trommeln ein paar Schwertkämpfer zusammen und kehren zurück.«
Yardem stellte die Ohren auf.
»Was? Ist das eine Überraschung?«
»Ich habe fast erwartet, dass wir hingehen, Hauptmann.«
»Das wäre dumm.«
»Ich sage nicht, dass das nicht stimmt, Hauptmann. Dachte nur, dass das vielleicht der Fehler ist, den wir machen.«
Marcus zuckte die Achseln und ging zurück zu den Pferden, und das Wissen, dass er es getan hätte, wäre er allein gewesen, bedrückte ihn.
Sie lagerten in einem kleinen Hain mit grünen Eichen, die Pferde an einen alten Altar gebunden, der unter den Bäumen verborgen war, von Efeu bedeckt, verwittert und vergessen. Am Morgen füllte sich Marcus den Bauch mit einem Streifen gesalzenen und getrockneten Ziegenfleisches und einer Handvoll schlaffer Früherbsen, die noch in den Schoten steckten. Wenn man sich Porte Oliva von Westen näherte, kam man durch schwierigeres Gelände, als es aussah. Auf den Hügeln grünten Gras und Heidekraut, aber es war uneben. Überall ver bargen sich zerfallene Steine, bereit, bei einem Fehltritt des Pferdes wegzurollen. Es gab eine Geschichte, dass ein König des Alten Cabral eine Invasion nach Birancour entlang dieser Küste durchgeführt hatte, nur um dann mit Streitrössern anzukommen, die schon vor der ersten Schlacht lahmten.
Die hohen, fahlen Mauern wirkten dunkler, wenn die Sonne dahinter stand. Der Verkehr in die Stadt und aus ihr heraus wurde von den Bettlern behindert, aber Marcus war inzwischen so stadtbekannt, dass sie ihn weniger bedrängten. Diese Schar von Lügnern und Dieben war vielmehr auf Reisende eingestellt, als wäre er dadurch, dass er nach Porte Oliva roch, bereits ein Komplize bei ihren elenden Geschichten über kranke Säuglinge und verkrüppelte Beine, die gleich viel besser laufen konnten, wenn niemand hinsah. Es war ein Zeichen dafür, dass man Bürger der Stadt war, wenn die Bettler einen nicht beachteten, und auch wenn es ein unsichtbares Zeichen war, trug Marcus es inzwischen.
Inmitten der Buden und Häuser und des komplizierten Straßennetzes passierte er die Befestigungsmauer und kam dann in die eigentliche Stadt.
Marcus verließ gerade die Stallungen, als eine unerwartete Stimme ihn beim Namen rief. Am Eingang einer kleinen Seitenstraße stand ein Mann mit langem Gesicht, borstigem, hoch aufgetürmtem Haar und der olivfarbenen Haut von Pût. Er trug eine einfache braune Robe und einen Gehstock, der schon abgegriffen und schwarz war, wo er ihn hielt. Zum ersten Mal seit Wochen spürte Marcus, wie ihm unfreiwillig ein Grinsen ins Gesicht trat.
»Kit? Was macht Ihr hier?«
»Ich habe tatsächlich gehofft, dass ich Euch treffen würde«, sagte der Meisterschauspieler. »Und Yardem Hane! Es freut mich, Euch wiederzusehen. Ich denke, das Stadtleben tut Euch gut, ja? Ich glaube nicht, dass ich Euch je bei so guter Gesundheit gesehen habe.«
»Er meint fett«, murmelte Marcus.
»Ich weiß schon, was er meint, Hauptmann«, erwiderte Yardem und tat so, als wäre er verärgert. Dann ließ er ein breites Hundegrinsen sehen. »Ich habe nicht erwartet, dass die Truppe so schnell zurückkehrt.«
Meister Kit zögerte. »Das ist sie auch nicht. Ich bin auf eigene Faust gereist. Ich habe gehofft, mit Euch darüber sprechen zu können, Marcus. Wenn Ihr Zeit dafür habt. Wenn Ihr etwas mit Yardem zu erledigen habt, will ich Euch natürlich nicht aufhalten.«
Marcus blickte zu Yardem hinüber. Er sah an der Art, wie der Tralgu den Kopf zur Seite neigte, dass dieser dasselbe gehört hatte. Die Bitte um ein privates Gespräch, sogar ohne seinen Stellvertreter. Yardem zuckte mit den Schultern.
»Ich werde der Magistra Bericht erstatten«, sagte Yardem.
»Wärt Ihr so nett, nicht zu erwähnen, dass Ihr mich getroffen habt?«, fragte Kit.
Yardems Ohren waren nun
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