Dolly - 05 - Dollys großer Tag
vor Freude. „Endlich beginnen die anderen einzusehen, daß ich in Haus Müseling doch etwas gelernt habe.”
„Du mit deinem Haus Miesling!” schnaubte Evelyn. Margret war entsetzt. Hatte Evelyn, ihre Freundin, tatsächlich „Miesling” gesagt? Sie mußte sich verhört haben. Sie hakte Evelyn unter und plauderte lustig drauflos.
Aber Evelyn war sehr unfreundlich. Sie platzte fast vor Eifersucht und war unfähig, ein Wort zu sagen.
Margret ging mit Feuereifer an die Arbeit. Sie produzierte zwei Strophen Verse, zwei Melodien und eine Auswahl Entwürfe für Kostüme. Sie lernte die beiden Lieder, die Dolly ihr gegeben hatte, ging ins Musikzimmer der Fünften und schmetterte sie dort mit einer solchen Lautstärke und so falsch, daß die Mädchen in den anliegenden Musikzimmern erstaunt aufhorchten.
Birgit, Martinas Schwester aus der vierten Klasse, ging nachsehen. Du liebe Zeit, das war eine aus der Fünften, die da drinnen jaulte! Margret Klein! Birgit grinste und machte sich auf die Suche nach Conny. Die beiden hatten sich angefreundet. Seitdem ließ Conny auch Ruth allmählich in Ruhe.
Die beiden Mädchen guckten durch das Glasfenster, das in die Tür des benachbarten Musiksaales eingelassen war.
„Nun hör dir das an!” sagte Birgit spöttisch. „Ist es nicht wundervoll? Komm, wir gehen in den Raum auf der anderen Seite. Wenn eine aus der Fünften das darf, dürfen wir das auch!”
Und die zwei gingen in das andere Musikzimmer. Dort mimten sie zwei Opernsängerinnen und vollführten einen solchen Lärm, daß im Gang alle verwundert aufhorchten.
Nur Margret hörte vor ihrem eigenen lauten Gesang nichts. Plötzlich öffnete sich die Tür, und Martina trat ein.
„Margret! Hör bloß auf! Wir können dich sogar im Wohnzimmer hören.”
Margret brach ab. Da erklang aus dem Nebenzimmer ein wüstes Gejaule.
Martina lief verwundert hin.
Conny schwieg sofort, als sie Martina erblickte. Birgit dagegen kümmerte sich wenig um den Ärger ihrer Schwester und sang kräftig weiter, nur mit neuem Text:
„Ohhhhhhh! Da ist Martina! Hier ist sie-sie.”
„Birgit! Hör sofort auf!” rief Martina ärgerlich. Aber Birgit ließ sich nicht stören.
„Hier ist sie-ie-ie!” wiederholte sie.
„Hast du nicht gehört, was ich sagte?” schrie Martina.
Birgit hielt an, um Atem zu schöpfen.
„Ich mache nicht halb soviel Krach wie Margret”, sagte sie. „Und ich halte den Ton, sie aber nicht! Wenn eine aus der Fünften so jaulen darf, warum können wir das nicht auch?”
„Fang bloß nicht an, frech zu werden”, zeterte Martina, weiß vor Ärger. „Das dulde ich nicht. Conny, verlaß das Zimmer! Ich rate dir, nicht mit Birgit Freundschaft zu schließen. Das wird dir nur Unannehmlichkeiten bringen.”
Conny verließ ängstlich den Raum. Wäre Ruth mit ihr zusammengewesen, hätte sie ihr auch in einer bösen Lage beigestanden. Mit Birgit war das anders.
Die beiden Schwestern sahen sich feindselig an.
„Du sprichst aber nett von deiner Schwester, Martina!” fauchte Birgit. „Rätst anderen, nicht mit mir Freundschaft zu schließen!”
„So habe ich es nicht gesagt”, antwortete Martina. „Weshalb kannst du dich nicht benehmen, Birgit? Ich höre immer nur Schlechtes von dir.”
„Genauso geht es mir mit dir!” sagte Birgit. „Wer ist die anmaßendste Person in der Fünften? Du! Wer ist die unbeliebteste Klassensprecherin, die sie jemals hatten? Du! Wer ist nicht in die Sechste aufgestiegen, weil es niemand mit ihr aushalten konnte? Du!”
„Oh”, schrie Martina immer wütender. „Du bist unerträglich. Ich werde dich bei Fräulein Wagner anzeigen, dich und Conny. Und ich werde dich jedesmal anzeigen, wenn ich dich etwas Verbotenes tun sehe. Ich weiß, daß du jede Nacht aus dem Schlafsaal schleichst, um mit denen aus der dritten Klasse zu schwatzen. Ich höre allerhand über dich!”
Alle beide zitterten jetzt. Martina hatte größte Lust, ihrer Schwester ins Gesicht zu schlagen. Birgit hielt sich deshalb in sicherer Entfernung.
„Es wird dir noch leid tun, wenn du mich wegen heute nachmittag anzeigst”, sagte Birgit schließlich. „Sehr leid! Ich warne dich.”
„Ich tue es aber”, sagte Martina. „Es ist meine Pflicht. Du weißt, daß die vierte Klasse nichts in diesen Übungsräumen zu suchen hat.”
Sie drehte sich um und verließ den Raum. Dann suchte sie Fräulein Wagner, die Leiterin der vierten Klasse. Wenn sie die beiden nicht jetzt gleich anzeigte, solange ihr Ärger frisch war, tat sie es später
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