Dolly - 10 - Wiedersehen auf der Burg
Rückspiegel nach, wie er mit großen Schritten zu seinem Wagen hinüberlief und voller Übermut die Autoschlüssel in die Luft warf und wieder auffing.
Langsam fuhr Dolly zum Schafstall hinüber. Drei Jahre lang hatte sie ihn nicht gesehen. Einige Male hatte sie Felicitas besucht, aber sie war immer nur für wenige Stunden in Möwenfels gewesen und war kaum einem der Lehrer begegnet. Und die letzten anderthalb Jahre hatte sie keine Zeit mehr gehabt, eine Spritztour zu ihrer geliebten Schule zu machen.
KlausHenning Schwarze. Ob „Schnucki“ sein Auto, immer noch so brav lief, wie ihr „Richard Löwenherz“? Dem Auto verdankten sie ihr erstes Kennenlernen – damals, als „Richards“ rechter Hinterreifen auf der Fahrt zur Burg seinen Geist aufgegeben hatte. Ganz schön blamiert hatte sie sich, als sie später beim Abendessen im „Möwennest“ feststellen mußte, daß der hilfsbereite junge Mann ihr zukünftiger Literaturlehrer war!
„Samstag abend…“, sagte Dolly leise und lachte. „Ich freu mich auch schon drauf!“
Wirbel um Susu
Schnell kehrte der Alltag auf Burg Möwenfels ein. Die Klassen hatten ihre Klassensprecherinnen gewählt – in der ersten war es auf Fräulein Potts Vorschlag Vivi Hoppe geworden, die sich durch ihre Schwester Susanne schon gut in Möwenfels auskannte – und nun ging es darum, die Leistungen und den Wissensstand der einzelnen Mädchen zu prüfen.
Vivi war immer eine gute Schülerin gewesen. Vielleicht, weil sie versuchte, in allem ihrer angebeteten Schwester nachzueifern. Kai Sebastian schien ein Genie in Sprachen zu sein, Elkes und Giselas Begabungen lagen mehr auf sportlichem und handwerklichem Gebiet, auch die muntere Gusti verlor ihre gute Laune, wenn es um Mathematik oder Physik ging.
Schlimm stand es um Olivia Reichberg, sie hatte bisher Privatunterricht gehabt, und offensichtlich hatte ihre Lehrerin ihr alles durchgehen lassen. Sie würde hart arbeiten müssen, wenn sie den Anschluß an die Klasse erreichen wollte. Aber begriff sie überhaupt, was arbeiten hieß?
Merkwürdig war es mit Olly. Das Mädchen schien wirklich intelligent zu sein, sie arbeitete lebhaft mit und begriff Zusammenhänge schnell. Im mündlichen Unterricht war sie allen um eine Nasenlänge voraus. Nur im Schriftlichen versagte sie manchmal ganz erstaunlich. Sie übersah die Hälfte, schrieb Texte falsch ab, warf alles durcheinander oder machte Fehler, bei denen sich eigentlich ihr Füllfederhalter gesträubt haben müßte.
Fast noch eigenartiger war es mit Susu. Sie glühte vor Ehrgeiz, arbeitete fanatisch, ihre Hefte waren Muster an Sauberkeit und Übersichtlichkeit, Orthographie und Stil waren erstklassig. Aber wenn sie im Unterricht nach etwas gefragt wurde, versagte sie meistens kläglich. Man hatte den Eindruck, als spanne sie jeden Nerv, jeden Muskel an, um eine gute Antwort zu geben – und konnte doch die einfachsten Fragen nicht beantworten. Dabei war Fräulein Pott sicher, daß Susu die Antwort wußte – doch im entscheidenden Augenblick schien alles wie ausgelöscht.
Pöttchen hoffte auf Dollys Mithilfe. Wenn Dolly sich die Mädchen einzeln vornahm, ihnen half, ihre Schwierigkeiten zu überwinden, würde am Ende des Schuljahrs sogar ein Versager wie diese Olivia den Sprung in die nächste Klasse schaffen.
Heute sollten die Mädchen ein kleines Referat über ein Thema aus der Geschichte der Frühzeit halten. Das Thema hatten sie selbst wählen dürfen. Nicht jede würde drankommen, dazu reichte die Stunde nicht aus. Aber jede hatte etwas zu ihrem Lieblingsthema vorbereitet.
Am gewissenhaftesten hatte Susu gearbeitet. Sie wollte über die ägyptischen Pyramiden sprechen, darüber hatte sie gerade ein aufregendes Buch gelesen. Ihr Referat war zehn Seiten lang geworden und den ganzen Abend hatte sie es auswendig gelernt. Aber als Fräulein Pott sie im Unterricht aufforderte zu sprechen, war alles wie weggeblasen. Susu stotterte mit hochrotem Kopf und versuchte verzweifelt sich an ihren Text zu erinnern. Aber es war vergeblich, sie verhaspelte sich immer mehr.
„Ich… ich kann nicht!“ schrie Susu schließlich verzweifelt. „Ich kann mich an nichts mehr erinnern – dabei habe ich so gut gelernt… ich… ach…“, schluchzend rannte sie nach draußen.
„Susu! Wo willst du denn hin! Du kannst doch nicht…“ Vivi versuchte sie aufzuhalten.
„Laß sie!“ sagte Fräulein Pott ruhig. „Laß sie ruhig einen Augenblick allein, damit sie sich wieder beruhigt. Susanne ist ein
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