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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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Familie daran zu gewöhnen. Meine Mutter lächelte mich liebevoll und traurig an, reagierte jedoch prompt: «Er wird Priester werden, und ein hübscher dazu.»
    «Und Protonotar obendrein, vergiss das nicht, Schwester Glória. Apostolischer Protonotar.»
    «Protonotar Santiago», betonte Cabral.
    Ob es die Absicht meines Lateinlehrers war, sich an die Verwendung des Titels mit Namen zu gewöhnen, kann ich nicht sagen; ich weiß nur, dass ich, als ich meinen Namen im Zusammenhang mit diesem Titel hörte, am liebsten etwas sehr Freches gesagt hätte. Es blieb jedoch bei der Absicht, einer Absicht ohne Worte, die sich still und stumm verhielt wie später andere auc h … Doch die verlangen ein eigenes Kapitel. Beenden wir also dieses mit der Erzählung, dass der Lateinlehrer eine Weile über meine Priesterweihe sprach, wenn auch ohne besonderes Interesse. Er suchte wohl von sich selbst abzulenken, um zu zeigen, dass er nicht nur an den eigenen Ruhm dachte, obwohl dieser immer wieder aufleuchtete. Pater Cabral war ein magerer, ruhiger alter Mann von gutem Charakter. Natürlich hatte er auch ein paar kleine Fehler, wobei der schlimmste der war, dass er gierig war. Zwar war er nicht wirklich ein Vielfraß, denn er aß eher wenig, aber er liebte doch das Besondere und Ausgefallene, und unsere Küche war, wenngleich einfach, doch besser als die seine. So waren seine Augen, als meine Mutter ihn zum Abendessen einlud, um auf ihn anstoßen zu können, zwar die eines Protonotars, aber apostolisch waren sie nicht. Und um meiner Mutter eine Freude zu machen, kam er erneut auf meine geistliche Zukunft zu sprechen, wollte wissen, ob ich bereits zu Beginn des nächsten Jahres ins Seminar gehen würde, und bot sich an, mit dem «Herrn Bischof» zu sprechen, und immer wieder sprach er vom «Protonotar Santiago».
    36
    Eine Idee ohne Hände, eine Idee ohne Füße
    Unter dem Vorwand, spielen zu gehen, verließ ich das Zimmer und gab mich erneut den Gedanken an das Abenteuer des Vormittags hin. Etwas anderes wäre mir nun, ohne die Lateinstunde und selbst mit ihr, gar nicht möglich gewesen. Nach fünf Minuten kam ich auf die Idee, ins Nachbarhaus zu laufen, Capitu zu packen, ihre Zöpfe zu lösen, sie neu zu flechten und meine Arbeit dann auf diese besondere Weise, Mund über Mund, zu beenden. Das ist es, los, das ist e s …
    Es blieb bei der Idee. Bei der Idee ohne Füße! Die anderen Füße wollten nämlich weder laufen noch gehen. Erst viel später trugen sie mich langsam zu Capitus Haus.
    Dort traf ich diese in demselben Zimmer an. In aller Ruhe nähend saß sie auf dem Sofa, ein Kissen auf dem Schoß. Sie sah mich nicht an, sondern blickte ängstlich und verstohlen drein oder, falls ihr die Ausdrucksweise unseres Hausfreundes bevorzugt, listig und hinterhältig. Ihre Hände hielten inne, nachdem sie die Nadel durch den Stoff gestochen hatten. Ich stand am anderen Ende des Tisches und wusste nicht, was ich tun sollte. Ein weiteres Mal entfleuchten mir die Worte, die ich mitgebracht hatte.
    So vergingen ein paar lange Minuten, bis sie ihre Näharbeit schließlich weglegte, aufstand und wartete, dass ich auf sie zukam. Ich trat näher und fragte, ob ihre Mutter etwas gesagt habe. Sie verneinte dies. Der Anblick des Mundes, mit dem sie mir antwortete, löste wohl eine Geste der Annäherung bei mir aus, und Capitu wich eindeutig ein wenig zurück.
    Das war die Gelegenheit, sie zu packen, sie an mich zu ziehen und zu küsse n … Es blieb bei der Idee, der Idee ohne Hände! Meine Hände hingen nämlich wie tot herab. Damals kannte ich die Heilige Schrift noch nicht gut. Hätte ich sie besser gekannt, hätte Satans Geist mich vielleicht veranlasst, der mystischen Sprache des Hoheliedes einen direkten, praktischen Sinn zu verleihen. Ich hätte nämlich dem ersten Vers gehorcht: «Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes». Und was die Arme betrifft, die schlaff herabhingen, so hätte es ausgereicht, Vers 6 des Kapitels 2 zu befolgen: «Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich». Man beachte die Reihenfolge der Bewegungen. Ich hätte sie nur auszuführen brauchen; doch Capitu war so zurückhaltend, dass ich wahrscheinlich, selbst wenn ich den Text gekannt hätte, nichts unternommen hätte. Doch dann war sie es, die mir aus dieser Situation heraushalf.
    37
    Das Herz voller Geheimnisse
    «Musste Pater Cabral lange warten?»
    «Ich hatte heute keinen Unterricht, er hat mir freigegeben.»
    Ich erklärte Capitu den

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