Don Blech und der silberne Regen
überlegte er sich viel.
Zu gerne wäre er in ein Oberstübchen hinaufgeklettert. Doch die Strickleitern sahen so dünn aus und sie schwankten so ungehindert hin und her, so baumelig. Er unterließ einen Versuch, er war ja kein Trapezkünstler. Auch hatte ihn niemand eingeladen und er war womöglich gar nicht erwünscht.
Sehr schwer konnte man sich in dieser leichten, schwebenden und wattigen Welt den harten, klappernden Junker Hohlkopf vorstellen.
Ja, da fiel er ihm wieder ein. Vor lauter Schauen und Staunen hatte Paprikel ihn eine Weile vergessen. Nun aber wurde er sehr nachdrücklich an ihn erinnert, man könnte fast sagen, auf ihn gestoßen. Kaum hatte er nämlich den vertrackten Namen gedacht, da hörte er es auch bereits scheppern und rumpeln, rattern und knarren.
Paprikel fühlte die Gefahr, in die er geriet, sofort körperlich. Oh, er kannte Junker Hohlkopf, unseligen Angedenkens. Und was noch schlimmer war, Junker Hohlkopf kannte ihn! Ach, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sich heimlich aus dem Staub gemacht hatte, aus der stillen Bucht, dass Don Blech nicht wusste, wo er war... niemand konnte ihm zu Hilfe eilen... sein ganzer Scharfsinn war plötzlich wie weggeblasen... und das Scheppern kam immer näher... Wo sich verstecken...?
Er war so entsetzt, ihm fiel nichts anderes ein, als sich am Straßenrand zusammenzukauern und sich tot zu stellen. Ganz steif war er vor Angst. Er spürte nun die stampfenden Tritte sehr dicht, er zitterte, er schloss die Augen und verbarg den Kopf in den Händchen. Jetzt blieben die Schritte stehen, alles war still, der Boden bebte nicht mehr. Und dann quietschte es, wie wenn ungeölte Gelenke bewegt werden, und dann klapperte es und dann tönte es: »Welch eine Überraschung! Finde ich da doch ein neues und seltenes Gemüse... o ja, ich kenne es, es ist mir bekannt, sehr bekannt! Eine Gurkenfrucht ist es, sagen wir besser: eine Art Paprika. Oder sollte es eine Melone sein, ein Kürbis? Wie dem auch sei — auf jeden Fall ist es wohlschmeckend. Und Wattemutter wird sich über die seltene Bereicherung ihres Küchenzettels gewiss sehr freuen.«
Das muss ein böser Traum sein, dachte Paprikel. Doch gleich darauf fühlte er, wie sich harte Eisenfinger in seine weiche Haut pressten und ihn aufhoben. Er schloss die Augen fest, keinesfalls wollte er dem Ungeheuer ins Gesicht blicken. Zu seinem Trost durchzuckte ihn der Gedanke, dass dieses Scheusal aus Metall selbst nichts aß. So drohte ihm wenigstens keine Gefahr, gleich verschluckt zu werden. Und vielleicht aß Wattemutter Gurken und Kürbisfrüchte nicht gern, dann ging vielleicht alles noch einmal gut und er wurde unangeknabbert auf den Müll geworfen, von wo er sich heimlich davonstehlen konnte.
Andererseits dachte er auch, dass er nun auf jeden Fall in den Wattepalast käme. Zu allen Zeiten bedienten sich ja die Spione der sonderbarsten Tricks, um in die feindliche Festung zu gelangen Warum also nicht auch einmal als Gemüse. Er hätte es — so betrachtet — gar nicht geschickter und listiger anstellen können.
Nur wusste Paprikel nicht, dass Junker Hohlkopf ihn nicht für ein Gemüse hielt. Er hatte in ihm den unseligen Handwerker schnell erkannt, der ihm vor kurzer Zeit erst den Kopf verkehrt herum aufgesetzt hatte.
Das vergaß er so schnell nicht.
Nun wusste er: Don Blech war in der Nähe. Und er wollte den vorwitzigen Paprikel als Geisel benutzen, als Unterpfand für... nun, es würde ihm sicher etwas einfallen. Er beschloss, sich erst einmal nichts anmerken zu lassen und seine Beute kräftig einzuschüchtern. Die Sonne war inzwischen am Himmel emporgeklettert. Schon kam die Zeit des Mittagsmahles. Salate gab es da, auserlesene Südfrüchte, Obst und Nüsse.
Junker Hohlkopf kam ein wenig zu spät in den Wattepalast. Wattemutter und Watteia saßen bereits an der Tafel und überlegten, ob sie ohne ihn anfangen sollten. Er aß ja sowieso nichts. Oder war es doch schicklicher, zu warten? Man war so gereizt nach dem Frühstück auseinander gegangen, da wären sie vielleicht ganz gern allein geblieben. Aber Watteia machte sich doch auch Sorgen um ihren Gebieter, sie sehnte sich nach einer herzlichen Versöhnung — wie das ebenso geht unter Liebesleuten, die sich gezankt haben.
Nun, die Frage löste sich von selbst, Wattemutter und Watteia brauchten nicht länger mit begierigen Augen vor den Genüssen der Tafel zu sitzen. Der Gefürchtete, der Ersehnte — er kam!
Lügen und Wahrheiten
Junker Hohlkopf
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