Don Juan de la Mancha
Es waren aber heilige Schlangen, und als er das Schlangenweibchen erschlug, wurde er selbst augenblicklich in eine Frau verwandelt. Nach sieben Jahren, die er beziehungsweise sie als begehrte und schließlich hocherfahrene Hure gelebt hatte, kam er bei einem Spaziergang zufällig an der Stelle vorbei, wo er damals die Schlangen gesehen hatte, und wieder sah er ein Schlangenpaar, das sich begattete. Und wieder ekelte er sich, er fand es widerlich, dass diese Kreatur solche Lust empfinden konnte. Er schlug auf die Schlangen ein, diesmal tötete er das Schlangenmännchen und war augenblicklich in einen Mann zurückverwandelt. Er war mittlerweile das Hurenleben so gewohnt, dass er es nun als Mann fortsetzte, jede Frau zu verführen versuchte und immer wieder zu Huren ging.
Christa lächelte vergnügt, schleckte an einer Spargelspitze, biss zu, die Schokolade splitterte, Schokoladeteilchen fielen auf ihren Busen. Sie sah mich an. Ich hätte jetzt wohl die Schokolade von ihrem Busen lecken sollen. Erzähl weiter, sagte ich.
Eines Tages, sagte sie, stritten sich Zeus und Hera oben im Olymp über die Frage, wer beim Beischlaf mehr Lust empfinde, der Gott oder die Göttin? Hera meinte, dass der Mann mehr Lust empfinde. Schließlich sei es der Mann, der sich nehme, was er wolle, immer bekomme, was er wolle, weil er alles nach seinen Bedürfnissen ausgerichtet habe. Es sei eine Welt der Männer und der Götter, nicht der Frauen und Göttinnen, also sei doch klar, wer mehr Lust empfinde.
Christa lachte. Gutes Argument von Hera, sagte sie. Aber Zeus sah das ganz anders. Natürlich empfinde die Frau die größere Lust, so Zeus, weil der Mann, wie schon anatomisch klar ersichtlich, der Gebende, die Frau aber die Empfangende sei. Der Mann spende also die Lust, die Frau habe sie.
Wieder aß Christa einen Spargel. Die kleinen Schokosplitter schmolzen auf ihrer Brust. Zeus und Hera stritten, keiner wollte einlenken, sagte Christa. Wer konnte diese Streitfrage entscheiden?
Wer?
Na wer schon? Teiresias natürlich, der Einzige, der in seinem Leben beides gewesen ist: Mann und Frau. Man holte also Teiresias herbei und fragte ihn. Er zögerte keine Sekunde und sagte: »Wenn die ganze Lust zehn ist, dann ist die Lust der Frau beim Beischlaf neun, und die Lust des Mannes ist eins.« Den Streit hatte also Zeus gewonnen. Hera war so wütend, dass sie Teiresias blendete. Zeus wollte das nicht rückgängig machen, um nicht gleich wieder einen Streit mit Hera zu haben. Also gab er Teiresias dafür ein inneres Sehen, die Fähigkeit, in die Zukunft zu schauen. Aber es gibt auch die Interpretation, dass Teiresias deshalb in die Zukunft schauen konnte, weil er über die Erfahrungen der Gattung, und nicht nur die Erfahrungen des einen oder des anderen Geschlechts verfügte.
Es ist eine mythologische Erzählung, sagte ich, und auch wenn sie bestätigt, was ich befürchtet habe, so ist sie doch kein Beweis.
Beweis, sagte Christa, es kann natürlich keinen Beweis geben, aber es gibt einen Test, den jeder machen kann und der die Behauptung von Teiresias sehr eindrücklich bestätigt. Dieser Test ist zweitausendzweihundert Jahre alt, niedergeschrieben von Charisteas von Syrakus, übrigens ein Zeitgenosse von Archimedes. Eine interessante Koinzidenz: Da lebten gleichzeitig in derselben Stadt der erste Physiker und der erste Sexualforscher.
Der Test, sagte ich, wie geht der Test.
Ganz einfach: Strecke einen Zeigefinger aus und umschließe ihn mit der Faust der anderen Hand. So. Und jetzt sage mir, wo du mehr spürst: am Finger oder in der Faust. Ja, so. Warte! Warte ein bisschen. Schließe die Augen. Konzentriere dich auf deine Hände. Du kannst jetzt auch den Finger ein bisschen rausziehen und wieder reinstecken, na? Wo spürst du mehr, Finger oder Faust?
In der Faust!
Heureka!
44.
Ich hätte Verdacht schöpfen müssen, als eines Mittwochabends der Mann mit den Pranken im Hebenstreit auftauchte, der Kunststudent mit den dicken Haaren, die er sich mit gespreizten Fingern ständig aus der Stirn strich. Andererseits: selbst wenn ich Verdacht geschöpft hätte, ich hätte nicht verhindern können, was sich längst hinterrücks angebahnt hatte und in der Folge geschah.
Ich hielt es für einen Zufall, dass er hereinkam, das Wiedererkennen führte reflexartig zu einer einladenden Geste: Setz dich zu uns!
Er setzte sich. Er sagte, er heiße Bori.
Bori?
Ja, Bormašin, aber ihr könnt Bori sagen.
Ungewöhnlicher Name, sagte ich.
Seine Eltern seien
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