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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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konnte er sie nicht entdecken, weil seine Brille durch seinen Ausflug zum Ausgang mal wieder beschlagen war. Deswegen sah er auch nicht, dass so gut wie jeder Besucher in der Halle aufgesprungen war und zu eben dieser Bühne eilte. Er sah es nicht, aber das war auch überhaupt nicht nötig, weil er nun von all den Leuten zurück in die Halle geschoben wurde, die von außen hineindrängten. Und die jetzt alle zu kreischen begannen, weil offenbar die Band auf die Bühne kam, und dann wohl auch O’Shady, jedenfalls war der Lärm nun ohrenbetäubend. Und dann sang Connor O’Shady »Suspicious Minds«, und wenn Siebeneisen als großer Musikfan nicht mit Sicherheit gewusst hätte, dass Elvis Aaron Presley diese Welt am 16. August 1977 verlassen hatte und alle Sichtungen seiner Person seitdem nichts anderes waren als optische Täuschungen: Siebeneisen hätte schwören können, dass er da vorne auf der Bühne stand.
    Manchen Menschen ist es gegeben, andere Zeitgenossen täuschend ähnlich nachzuahmen. Hape Kerkeling kann wie die niederländische Königin sprechen, Kevin Spacey wie Al Pacino, und Peter Alexander konnte mehr nach Hans Moser klingen als Hans Moser selbst (weshalb sich Hans Moser in einigen seiner Filme von Peter Alexander synchronisieren ließ, da möchte man auch nicht drüber nachdenken). Connor O’Shady aber klang wie Elvis Presley. Und zwar exakt wie Elvis Presley. Da waren nicht bloß die identische Stimmlage und die beeindruckende Bandbreite zwischen Flüstern und Schreien – O’Shady schienen auch Presleys zweieinviertel Oktaven keine Probleme zu bereiten und auch nicht das hohe G, um das den King sogar Opernsänger beneidet hatten. Der Mann auf der Bühne dachte sogar daran, die eine oder andere Silbe gummiartig in die Länge zu ziehen, wie es jemand macht, der im tiefen Süden der USA groß geworden ist, in Tupelo, Mississippi, zum Beispiel. Das würde Lawn gefallen, dachte Siebeneisen, der diesen Akzent aus der Kaserne kannte, in der sein Vater Hausmeister gewesen war. Den ganzen schrecklichen Tag über hatte er seine Freundin beneidet, weil sie im 5 000 Quadratmeter großen Luxus-Spa des Grand Palace Hotels ausspannen konnte, während er mit wildfremden Menschen literweise lauwarme Bierplörre hatte trinken müssen. Jetzt aber dachte er zum ersten Mal, dass Lawn soeben etwas ziemlich Außergewöhnliches verpasste.
    »Ni hao!« Elvis sagte seinen Fans auf Chinesisch Guten Tag. Die Fans tobten. Siebeneisens Brille war mittlerweile aufgeklart. Er sah, dass O’Shady auch optisch eine verblüffende Ähnlichkeit mit Elvis hatte – zumindest mit dem Elvis einer gewissen Periode. O’Shady wog um die 150 Kilo und trug einen weißen Bühnenoverall, der so eng saß, dass man sich fragte, wie um alles in der Welt er in dieses Ding hineingekommen war. Er wischte sich gerade eine schwarze Haartolle aus dem Gesicht und schaute leicht irritiert auf die Massen, die von allen Seiten gegen die Absperrgitter rund um die Bühne drängten. Offenbar war das Sicherheitspersonal schon jetzt überfordert. Siebeneisen sah, wie mehrere uniformierte Männer in ihre Walkie-Talkies schrien und gleichzeitig versuchten, Fans am Übersteigen der Absperrgitter zu hindern. Schon in ganz normalen Alltagssituationen waren Chinesen ja ziemlich rigide, wenn es darum ging, in vorderster Reihe zu sein (am Morgen war Siebeneisen zusammen mit einem steinalten Ehepaar mit dem Aufzug in die Lobby gefahren und hatte erlebt, wie die beiden zuerst ihn zur Seite gerempelt und sich dann gegenseitig beharkt hatten, weil jeder zuerst aus dem Aufzug wollte). Kam aber Alkohol ins Spiel und dann auch noch ein Star, der zum Greifen nah schien, dann war ein chinesisches Publikum so schwer in Schach zu halten wie einst Achilles vor Troja.
    Elvis stimmte nun »House of the Rising Sun« an, eine Ballade, die auf die aufgedrehte Stimmung in der Halle des Bieres eigentlich beruhigend hätte wirken sollen. Tat sie aber nicht. Stattdessen wurde die Lage rund um die Bühne zunehmend prekärer. Bislang hatten sich die Sicherheitsleute zu zweit oder dritt auf jeden stürzen können, der es über die Absperrung schaffte, jetzt aber drängten derart viele Fans auf die Bühne, dass jeder Bodyguard zwei oder drei Besucher zurückhalten musste. Siebeneisen ahnte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis eine der betrunkenen Frauen O’Shady um den Hals fiel. Oder ein besoffener Chinese ihn abzuküssen versuchte. Und dann alle anderen. Die würden ihn

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