Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
ihre Geräte bellten und dabei nicht unbedingt darauf achteten, ob sie gerade noch eine Gabel Sahnekuchen im Mund hatten. Die Cellisten ignorierten die Bröckchen auf ihren Instrumenten mit asiatischer Gelassenheit.
»Na, geht’s besser?« Siebeneisens Verbredung war eingetroffen.
»Ghtschnwidringermßen«, sagte Connor O’Shady aus dem Sessel gegenüber. Er sah aus wie eine Mumie. Beziehungsweise wie der Elefantenmensch im letzten Stadium, in jenen Filmszenen, in denen er nur noch komplett umwickelt aus dem Haus konnte. Und auch ein wenig so wie ich neulich in Kathmandu, dachte Siebeneisen. Obwohl O’Shady nicht mehr zitterte, war der Ire noch immer kaum zu verstehen. Er kleisterte weiterhin Silben und Wörter zu grotesken Bandwurmbegriffen zusammen. All die Bandagen um seinen Schädel verschlimmerten seine Aussprache obendrein.
Dass O’Shady die Explosion überlebt hatte, verdankte er einzig und allein dem Professionalismus der Eiswelt-Architekten. Weil ihnen die realistische Ausarbeitung der Anlage über alles ging, hatten sie dafür gesorgt, dass der zugefrorene Seerosenteich unter der Brücke tatsächlich ein zugefrorener Seerosenteich war. Durch dessen Oberfläche krachte der voluminöse Elvis bei seinem Sturz in das unter dem Eis liegende Wasser. Als er wieder auftauchte, stand der Hallenhimmel über O’Shady in Flammen, also war er im Wasser geblieben und hatte unter dem zerborstenen Brückenpfeiler Schutz gesucht. In den nächsten Minuten war er sich im Hagel der Raketen und Böller vorgekommen wie der Verteidiger einer mittelalterlichen Burg beim Angriff eines normannischen Invasionsheer, aber selbst eine auf den Brückenpfeiler krachende Zeus-Statue überstand er halbwegs unbeschadet, von etlichen Schnittwunden durch herumfliegende Eissplitter abgesehen. Als alles vorüber war, hatten Sanitäter den völlig unterkühlten Mann im Elviskostüm aus dem Wasser gezogen.
»Lawn und ich fliegen heute Abend nach Deutschland zurück. Über Hongkong, da müssen wir noch irgendwas für Schatten abholen. Wir sehen uns dann beim Notar in Dublin, oder?«
»’chhoffe’sielssnmichsoflign …«
»Das hoffe ich auch. Bei den Sicherheitskontrollen an den Flughäfen heutzutage weiß man ja nie. Aber vielleicht können bis dann schon einige der Mullbinden entfernt werden …« Siebeneisen betrachtete die Verbände. Konnte gut sein, dass man ihn in diesem Aufzug tatsächlich nicht an Bord eines Flugzeugs lassen würde. Er lächelte O’Shady tröstend zu und fragte sich gerade, warum das Orchester bei »Fünfzehn Mann auf des toten Seemanns Kiste« derart ins Stocken geriet, aber dann saß Lawn auf der Lehne seines Sessels, Lawn in einem weißen Handtuch und sonst nichts, geradewegs aus den Tiefen des Spas, wo sie mehr oder weniger die kompletten letzten Tage verbracht hatte. Auf Kosten des Hauses, schließlich war sie die Begleiterin einer lokalen Berühmtheit.
»Ich komm nicht ins Zimmer, du hast den Schlüssel!« Sie zwinkerte O’Shady zu. Der Dirigent versuchte, sein Orchester auf Linie zu bringen, aber offenbar hatten die Cellisten beim Anblick Lawns jegliche Konzentration verloren. »Fünfzehn Mann auf des toten Seemanns Kiste« schlingerte Richtung Refrain, als herrschte in der Lobby plötzlich starker Wellengang.
»Ich komme mit.« Siebeneisen hielt es für das Beste, ebenfalls schnell aus dem Fokus zu kommen. Er nickte O’Shady zu.
»Wir sehen uns in Dublin!« Dann humpelte er mit verstauchtem Fuß und Stichwunde im Hintern Richtung Aufzug, und Lawn in ihrem weißen Handtuch neben ihm war schöner als je zuvor.
Der Yaggwar schwebte durch Qingdao, als habe er keinerlei Kontakt mit dem Asphalt. Siebeneisen sah aus dem Fenster. Es hatte zu regnen begonnen, die Rücklichter der Autos zogen rote Schlieren auf den nassen Straßen. Er konnte noch immer nicht glauben, dass sie am Ende ihrer Reise angelangt waren. Dass die Mission erfüllt war, dass er sämtliche sieben lebenden Miterben Schattens gefunden hatte. Er horchte in sich hinein und versuchte, irgendwo dort drinnen ein Gefühl des Triumphs zu entdecken oder zumindest ein wenig Zufriedenheit, aber da war nichts. Wie denn auch? Die letzten Wochen und Monate hatte sein Körper beinahe ununterbrochen Adrenalin produziert. Da würde es bestimmt noch eine ganze Weile dauern, bis ihm wirklich klar werden würde, dass er das Unmögliche tatsächlich geschafft hatte. Er drehte sich vom Fenster weg. Lawn war eingeschlafen, als sie vom Hotelparkplatz gerollt
Weitere Kostenlose Bücher