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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Die Skua zum Beispiel, groß wie verfettete Adler und ausgestattet mit imponierenden Hackeschnäbeln. Natürlich durfte man auch ihnen nicht zu nahe kommen, auch das erklärte die Besatzung des Kreuzfahrtschiffes immer wieder. Kommt ein Skua geflogen, sollte man sofort die Hände über den Kopf halten, weil die Vögel immer den höchsten Punkt attackieren (Gehhilfen tun es natürlich auch). Auch manche Robbenarten konnten erstaunlich schnell sein. Siebeneisen wurde Zeuge, wie eine dieser prallen Würste giftig fauchend auf die Kreischerin zurobbte. Offensichtlich hatte sie das Tier für verstorben gehalten und wollte ein wenig über dem Leichnam weinen. Jetzt sah man sie kreischend zurück zu Frau Naubeck laufen. Siebeneisen beschloss, den Inder vor der Frau zu warnen.
    Waren keine Skuas, Pinguine und Robben in der Nähe, lag die Antarktis schweigend und leer unter einem drückenden Himmel. In der Halfmoon-Bay war Siebeneisen durch die Ruinen einer Walverarbeitungsanlage gestromert. Die rostigen Tanks und Kessel sahen aus wie die Überreste einer außerirdischen Zivilisation, die einst hier Fuß fassen wollte und es sich dann doch anders überlegt hatte. Auch die neuseeländische Station war verlassen. In den Regalen stapelten sich alte Konserven, auf dem Tisch standen Gläser und Teller, es schien, als seien die Forscher nur mal kurz um den Block – nach einem Aktfoto von Raquel Welch auf der Herrentoilette zu urteilen, musste das allerdings um 1976 gewesen sein. Leider wurde Siebeneisen beim Betrachten des Posters von den Australierinnen erwischt. Die Situation eskalierte nur deshalb nicht, weil sie im Regal unter Raquel ein prähistorisches Päckchen Waschmittel entdeckten. Als ihnen dazu augenblicklich die entsprechende Radiowerbung einfiel ( Who makes our blouses shiny clean? The Washing Queen! The Washing Queen! ), konnte sich Siebeneisen nach draußen schleichen, wo die Grönländer sich gerade mit ihrer Flagge fotografieren ließen. Er hätte schwören können, dass die Robben ihn mitleidsvoll anschauten.
    An seinem letzten Abend saß er mit einem Glas Scotch an Deck der MS Fram und beobachtete einen Wal, der immer wieder neben dem Schiff auftauchte und die Passagiere an Deck anzuschauen schien. Die Antarktis ist der einzige Kontinent ohne menschliche Kultur, sinnierte Siebeneisen, und vielleicht kam sie ihm genau deshalb auch besser vor als der Rest der Welt. Konkreter. Klarer. Ehrlicher. Er ertappte sich zum wiederholten Male dabei, wie er über sein Leben nachdachte und wohin ihn die Winkelzüge des Schicksals verschlagen hatten. Vor ein paar Wochen noch war er jeden Morgen in der Redaktion des Tagesboten erschienen, hatte seinen Job erledigt und war nach Dienstschluss nach Hause gefahren, wo er dann bemerkte, dass schon wieder ein Tag vorbei war, ohne den geringsten Eindruck zu hinterlassen. Donnerstags traf er sich mit Wipperfürth und Schatten im Fetten Hecht, die anderen Abende verbrachte er meist allein in seiner Wohnung, wo er Filme schaute, las oder Musik hörte. Seit Jahren schon. Im Grunde seit jener Nacht, in der die Tür hinter JL ins Schloss gefallen war. Vielleicht sollte er mehr reisen, statt die Welt ausschließlich in seinen National-Geographic -Heften zu erkunden – wider Erwarten gefiel ihm das Unterwegssein ziemlich gut. Es waren auch noch keine jener Krankheiten aufgetreten, mit denen er gerechnet hatte. Und auch noch keine Schlangenbisse, Maden im Essen und handtellergroße Spinnen im Bett. Siebeneisen lächelte. An der Reling zog die übliche Leinwand aus Bergen, Wasser und Gletschern vorbei, die eine ähnlich hypnotische Wirkung entfalteten wie loderndes Kaminfeuer. Als er sich aufrappelte, sah er hoch über seinem Rücken im Sportstudio den ausgemergelten Neuseeländer, der gerade bei einer Zusatzeinheit auf dem Laufband war.
    Am nächsten Morgen kamen sie bei den Amerikanern an. Die Forschungsstation sah aus wie eine Scheune aus den Waltons , die irgendein merkwürdiger Zufall ins Packeis ans andere Ende der Welt versetzt hatte – die Immobilienkrise schien sich mittlerweile bis in die entlegensten Winkel des Imperium americanum ausgebreitet zu haben. Eigentlich hatte Siebeneisen geplant, heimlich von Bord zu schleichen und sich mit einem der Schlauchboote hinüberbringen zu lassen, während seine Mitpassagiere noch frühstückten, aber da hatte er die Rechnung ohne seine Mitpassagiere gemacht: Alle warteten bereits an Deck, als er dort mit seiner Reisetasche erschien, selbst

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