Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
eine halbe Welt entfernt.
»Das ist nicht unsere Schuld!« O’Shady versuchte, den Lauf der Dinge zu beeinflussen.
»Sie haben doch selbst gesagt, dass Sie mit Ihrer Spionagesoftware exakt jenes Bild sehen, das unsere Nachtschicht im Büro auf dem Schirm hat, oder? Und unsere Nachtschicht schaut sich heute wohl lieber Fußball als GPS -Signale von Nashörnern an …«
Der Asiate schloss den Deckel des Computers. Er sah zu dem Söldner mit den weißen Flecken auf und verzog das Gesicht, als sei ihm ein äußerst unangenehmer Geruch in die Nase gekommen. Dann nickte er kurz. Der Söldner ging zu der am Boden sitzenden Gruppe, packte Lawn am Arm und zog sie nach oben.
»He!« Siebeneisen sprang auf, war aber einen Moment schon wieder am Boden. Und konnte auch nicht noch einmal aufstehen, das geht schlecht, wenn man auf dem Rücken liegt und einem der Lauf einer Maschinenpistole auf die Stirn gedrückt wird. Der Rest der Söldner zwang die anderen Gefangenen, sich ebenfalls ins Gras zu legen.
Der Mensch ist ein sehendes Wesen – den Großteil seiner Eindrücke sammelt er über optische Informationen. Anders als bei anderen Vertretern der Gattung Säugetier hat die Evolution beim Menschen die übrigen Sinne eher vernachlässigt. Sein Geruchssinn beispielsweise lässt sich nicht anders als verkümmert bezeichnen, der Tastsinn ist ebenfalls kaum noch vorhanden, und vom erbärmlichen Zustand, in dem sich sein Gehör seit ein paar tausend Jahren befindet, lebt in den westlichen Ländern eine komplette Geräteindustrie. Trotzdem verlässt sich der Mensch vor allem auf seine Ohren, sobald er keine optischen Informationen mehr sammeln kann.
»Hmmmmpfffflll!« (Lawn, mit Hand vor dem Mund.)
»You not bite!« (Siebeneisens Lieblingssöldner.)
»Hmmmmpfflll!«, schrchschrchhhhhschrch … (Wieder Lawn. Und etwas, das über den Boden geschleift wurde. Möglicherweise Lawn, die über den Boden geschleift wurde.)
Rschrschllrsch (Raschelnde Büsche.)
Hhhhhhhehhhhhhehhhh (Siebeneisens eigener Atem. Und der Atem von Sam, Marcus und O’Shady, ebenfalls mit einer Maschinenpistole vor dem Gesicht. Zu hören, weil sonst nichts zu hören war.)
»No! No!! No!!!« (Nein, nicht Lawn. Der Lieblingssöldner. Offensichtlich ziemlich entsetzt.)
»Hey! Was ist da los? Hey!« (Der Asiate, nervös.)
»No! Nooo!!« (Noch einmal der Lieblingssöldner. Im Tonfall abgrundtiefen Entsetzens.)
Rschrschllrsch!!!! (Erneut Buschwerk, dieses Mal heftig raschelnd. Buschwerk raschelt heftiger, wenn eine große Person in Panik durch es flüchtet.)
»Ich will jetzt wissen, was da los ist!« (Der Asiate, mittlerweile völlig entnervt.)
Hhhhhhhehhhhhhehhhh (Siebeneisens eigener Atem. Und der Atem der anderen. Zu hören, weil sonst wieder nichts zu hören war.)
Später, viel später, als alles vorbei war: Da würde die Episode aus dem Gebüsch zu Lawns Lieblingsanekdoten gehören. Wie der Wilderer sie in das Dickicht am Rande der Lichtung gezerrt hatte. Und wie sie ihm sagte, einen kleinen Moment bitte, er heiße doch Mhalabe, oder? Und seine Frau sei doch die Bhekisisa, oder? Sei die nicht erst kürzlich mit seinem gerade verwitweten Nachbarn durchgebrannt? Und warum habe Bhekisisia ihn, den großen Mhalabe, noch gleich verlassen? Wegen … naja, das wolle sie jetzt nicht sagen, aber … ob das Nashornhorn vielleicht … na ja … ob das vielleicht für ihn gedacht sei? An dieser Stelle ihrer Reiseerlebnisse wurde Lawn regelmäßig aufgeregt unterbrochen und gefragt, wie sie das denn alles habe wissen können. Dann erzählte Lawn, dass sie bereits während ihres Laufs zum Lager des Asiaten Kontakt mit einer Entität hatte, der verstorbenen Frau des Nachbarn offenbar: »Sie ging ziemlich lange links neben uns. Hat mir das alles erzählt. War ziemlich wütend auf ihren Mann und dass der sich sofort nach ihrem Ableben diese Bhekisisa geschnappt hatte.« Und dann? Was war dann geschehen? Dann habe sie noch ein paar Details nachgeschoben, die sie von der Entität erfahren hatte. Mhalabe habe zu zittern begonnen, »Nein! Nein!!«, habe er gerufen, immerzu. Und dann sei der Wilderer ziemlich schnell weggerannt. Und sie? Naja, sagte Lawn an dieser Stelle immer, sie sei halt auf den nächstbesten Baum geklettert. Und habe von dort beobachtet, was im Lager geschehen sei.
»Sie ist was?« O’Shady schaute Siebeneisen fassungslos von der Seite aus an. Die Maschinenpistolen befanden sich noch immer über ihren Gesichtern, zitterten aber seit einer Weile
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