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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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»Nee, das ist überhaupt nicht stressig«, und fügte noch hinzu: »Und Kirchenarbeit mache ich auch noch.«

Humor/Humor
    »Deutsche haben keinen Humor.« Das höre ich oft von Amerikanern und Engländern, von Kanadiern und Australiern. Und sogar manchmal auch von Deutschen selbst. Ich habe deutsche Freunde, die, wenn sie mir gerade was vermeintlich Lustiges erzählen, das Bedürfnis haben, sich gleichzeitig dafür zu entschuldigen, wenn der Witz, den sie gerade erzählten, nicht hundertprozentig gut angekommen ist.
    »Es tut mir leid, John. Das war ein schlechter Witz. Tut mir leid.«
    Worauf ich antworte: »Kein Problem, Stefan, denn ich habe überhaupt nicht mitbekommen, dass das ein Witz war.«
    Andere deutsche Freunde entschuldigen sich nicht, sondern haben eher das Bedürfnis, alle Witze zu erklären. Und wenn sie mit ihrer Erklärung fertig sind, schauen sie mich an, als ob sie gleich sagen wollten: »Wenn du nur ein bisschen mehr Allgemeinwissen zum Thema ›Die Schlacht im Teutoburger Wald‹ hättest, dann hättest du den Witz sicherlich verstanden.«
     
    Ich bin nun seit mehr als zehn Jahren hier in Deutschland als Comedian unterwegs und, - um es vorweg zu sagen - Deutsche haben
     doch Humor! Sie trauen sich nur manchmal nicht, ihn zu zeigen.
    Vor nicht allzu langer Zeit saß meine Frau Martina bei einem meiner Auftritte im Publikum, und in der Pause erzählte ihr ein Zuschauer, dass er nicht wusste, ob er während
meines Auftritts lachen dürfte - nach dem Motto: »Das könnte ja vielleicht den Künstler stören.« Deshalb fragte er die Person, die neben ihm saß - meine Frau also —, ob es erlaubt wäre, während der Show zu lachen.
    Als meine Frau mir diese Geschichte erzählte, war ich total baff. Ich hätte es verstanden, hätte er während eines Begräbnisses gefragt: »Darf ich hier lachen?« Aber während einer Comedyshow?
    Solche Erlebnisse sind leider keine Einzelfälle. Einmal fragte mich ein Zuschauer nach einer Show, ob es mich gestört hätte, dass er während der Show so laut gelacht hatte.
    »Es hätte mich viel mehr gestört, wenn Sie geschwiegen hätten«, war meine Antwort.
    Einmal sagte mir eine Berlinerin, die während meiner Show in der ersten Reihe gesessen hatte und von meiner Position auf der Bühne deswegen gut sichtbar gewesen war: »Ich muss Ihnen ein Kompliment machen, Herr Doyle. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelacht wie heute Abend.« Ich habe mich natürlich über ihr Kompliment gefreut, aber weil ich gesehen hatte, dass sie nur zwei Mal am ganzen Abend gelacht hatte, war ich mir nicht mehr so sicher, ob mein Auftritt so super gewesen war.
    Und dann gab es den Fall, dass sich einer der Besucher nach meinem Auftritt entschuldigte, dass er nicht so viel gelacht hatte.
    »Ich hätte viel mehr gelacht, aber mein Chef war dabei, und ich hatte halt Bange, ich könnte an der falschen Stelle lachen und deshalb einen falschen Eindruck bei ihm hinterlassen.« Am liebsten hätte ich ihn gefragt: »An der ›falschen Stelle‹? Was meinen Sie mit ›falscher Stelle‹?« Aber ich wollte ihn nicht noch mehr verunsichern.
    Ich denke, dass Amerikaner oft meinen, dass Deutsche keinen Humor haben, weil sie ganz selten im Alltag — sei es auf der Arbeit, in der Straßenbahn oder im Aufzug - Deutsche erleben, die auch unter Fremden einen lockeren Spruch machen.
    In Amerika befindet man sich jeden Tag in so einer Situation. Selbst unter Fremden. Du stehst im Aufzug. Der Aufzug ist voll. Und dann steigt einer ein und sagt: »Gut, dass ich gestern nicht so viel gefuttert habe, denn sonst hätte ich hier nicht mehr reingepasst!« Und sofort fängt einer der Mitfahrer an zu grinsen, ein anderer kichert und ein dritter gibt einen lustigen Kommentar dazu ab. Als ich selbst einen ähnlichen Kommentar in einem Aufzug hier in Deutschland machte, schauten mich alle an, als würden sie denken:
»Was ist denn mit dem los?«
    In Amerika brauchen wir keine Nähe oder Vertrautheit, um locker mit anderen ins Gespräch zu kommen. Wir stehen an der Bushaltestelle, in der Warteschlange im Supermarkt oder am Frühstücksbüfett im Hotel, und sobald eine andere Person da ist, versucht fast jeder, so humorvoll wie möglich zu sein.
     
    Meinen unwissenden ausländischen Freunden, die immer noch daran zweifeln, dass Deutsche Humor haben, sage ich: »Natürlich gibt es Deutsche mit Humor. Aber im Gegensatz zu Amerika braucht man hier mehr Nähe und Vertrautheit. Und Zeit, um sich überhaupt entfalten

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