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Doppelgänger

Doppelgänger

Titel: Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Sommernacht. Die dunklen Silhouetten von zwei kleinen Küstenfrachtern warfen tiefe Schatten auf die Kopfsteine, die skelettalen Kräne wirkten wie riesige, stählerne Gottesanbeterinnen.
    Sie hatten den Rundgang fast beendet, ohne dass sie etwas Ungewöhnliches bemerkt hatten, als Ajax plötzlich die Ohren spitzte und knurrte. Pete blieb stehen und lauschte. Plötzlich schnellte der Hund vorwärts und verschwand in dem tiefen Schatten zwischen zwei Kistenstapeln.
    Pete lief ihm nach, wagte sich aber nicht in die enge Gasse zwischen den Kisten. Er leuchtete mit der Taschenlampe in das Dunkel und rief dem Hund, in der Hoffnung, die Diebe dadurch zu verjagen – wenn es Diebe waren –, konnte jedoch niemanden entdecken. Vorsichtig ging er um den einen der Kistenstapel herum, bis er das andere Ende der engen Gasse erreichte. Er konnte nichts sehen – und nichts hören. Er rief nach Ajax, in der Erwartung, dass der Hund ihm mit einem tiefen Knurren antworten würde, wie immer. Dann zwängte er sich vorsichtig, den Schlagstock fest umklammert, zwischen den Kistenstapeln hindurch. Verblüfft und enttäuscht erreichte er das andere Ende der Gasse.
    Die formlose Masse von – irgend etwas –, die am Fuß des linken Kistenstapels lag, hatte er nicht einmal bemerkt.
    Schließlich sagte er sich verärgert, dass Ajax zum ersten Mal das Training abgebrochen hatte, und ging die Pier entlang und rief nach ihm.
    Vergeblich.

 
26
     
    »Mein Gott. Fast neun Uhr!« Netta stieß Tom in die Rippen, als sie sich aus dem Bett rollte. Er richtete sich widerwillig auf, schwang jedoch sofort die Beine über den Bettrand, als er sich erinnerte, was geschehen war, und warum sie auf keinen Fall Zeit durch Schlafen vergeuden durften. Heute war Montag, und vielleicht bekamen sie Hilfe von außerhalb, die ihnen diese fast unerträglich schwere Last abnehmen würde.
    »Der arme Polizist«, sagte Netta, als sie in ihre Pantoffeln schlüpfte. »Ich wette, er hat keine sehr angenehme Nacht hinter sich. Ich stelle sofort Kaffee auf und frage ihn, ob er auch welchen will.«
    Sie warf ihren Morgenrock über und war fort. Tom stolperte ins Bad und versuchte, sich mit einer kalten Dusche wachzukriegen.
     
    »Was, in aller Welt …«
    Sam Fletcher, der um die letzte Biegung der Zufahrt der Forschungsstation bog, trat auf die Bremse. Knapp vor dem Tor, wo der grasbewachsene Randstreifen am breitesten war, stand der unmögliche Lieferwagen von ›Bruno and the Hermetic Tradition‹.
    »Diese Frechheit!« murmelte er, stieg aus, um das Tor zu öffnen und hineinzufahren. »Was bilden die sich eigentlich ein? Sie tun so, als ob das Land ihnen gehören würde.«
    Er trat zu dem Wagen und blickte durch die Windschutzscheibe. Die Seitenfenster waren mit winzigen Gardinen verhängt, doch es drang genügend Licht herein, um die schlafenden Gestalten auf den Kojen, dem Boden und den Vordersitzen sehen zu können. Eins der Mädchen hatte ihr Kleid ausgezogen, um sich damit zuzudecken, und hatte es von sich geschoben, als sie sich auf die andere Seite drehte.
    »Schamloses Gesindel«, murmelte er. Er hob die Hand, um energisch an die Windschutzscheibe zu klopfen, doch dann überlegte er es sich anders. Es war besser, sie die ganze Wucht der Autorität Dr. Innis’ spüren zu lassen.
    »Demnächst haben wir noch einen Campingplatz auf unserem Gelände«, sagte er empört.
    Er ging zu seinem Wagen zurück, nachdem er das Tor geöffnet hatte, und fuhr auf seinen gewohnten Parkplatz. Dann machte er sich sofort auf die Suche nach Dr. Innis, um ihm von den Leuten in dem Lieferwagen zu berichten und dabeizusein, wenn er sie davonjagen würde. Er trat in das Gebäude, in dem sich die Bruträume befanden – und blieb plötzlich stehen. Neben der Stahltür stand ein zerwühltes Feldbett.
    »Diese Frechheit!« rief er. »Diese gottverdammte Frechheit! Jetzt benutzen sie unsere Gebäude schon als Absteige!«
    Wütend trat er auf das Bett zu und riss es um. Als es zu Boden krachte, hörte er ein Geräusch hinter der Stahltür. Er stand ein paar Sekunden lang reglos, dann nickte er grimmig.
    »Ist er etwa dort drin?« fragte er sich laut. »Das ist doch wirklich die Höhe!«
    Er packte den Türdrücker. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Er stellte fest, dass sie verschlossen war, und zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche.
    Er steckte einen Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um, riss die Tür auf und marschierte entschlossen hinein.
    »Jetzt hören Sie mal gut zu!«

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