Doppelspiel
Schütze sich nur wünschen konnte, vom Visier bis hin zu einer Gasfüllung, um Beschlagen vorzubeugen, und das in einem äußerst leichtgewichtigen Gerät.
Bei der Jagd galt eine Durchschlagskraft von tausend Pfund pro Fuß als angemessen. Für die größten Tiere wie zum Beispiel Elche konnte das auch mal auf fünfzehnhundert Pfund auf fünfhundert Yards steigen. Kuchin nutzte Torpedoheckgeschosse, die so gut wie alles auf vier Beinen und jeden auf zwei niederstrecken konnten.
Kuchins Gewehr war eine Spezialanfertigung. Es war ausgesprochen leicht und hatte ein kleineres Kaliber als normalerweise für diese Waffen verwendet wurde, denn das bedeutete weniger Rückschlag und damit mehr Genauigkeit. Besonders viel Geld hatte Kuchin für den Lauf ausgegeben, denn der spielte eine große Rolle beim Einzigen, was wirklich zählte, nämlich ob man ein Ziel traf oder nicht.
Der kleine Kojote lief gut zweihundert Yards vor Kuchin vorbei. Eigentlich war es noch zu früh für das Tier, um auf Nahrungssuche zu gehen, dachte Kuchin, aber hier wusste man nie. Töte, wann immer du kannst, war vermutlich ein gutes Motto für einen so öden Ort wie diesen. Wahrscheinlich war es ein Weibchen, dachte Kuchin, als er durch das Zielfernrohr die schmale Brust und Gestalt des Tieres sah.
Er legte sich auf den Boden und verlagerte das Gewicht der Waffe auf die Ellbogen. Dann atmete er tief ein und verstärkte den Griff um die Waffe, entspannte die restlichen Muskeln aber. Das war das Geheimnis eines jeden erfolgreichen Scharfschützen oder Jägers: Festigkeit und Lockerheit, flache Atmung und Geduld, bis alles in vollkommener Ruhe und im Einklang war. Er drückte sich den Kolben in den Bizeps, und langsam wanderte sein Zeigefinger zum Abzug. Ein leichter Druck, und das Geschoss würde durch den verlängerten Lauf rasen und das Muster der Züge sich in die Kugel brennen. Und dann würde das nur ein viertel Gramm schwere Geschoss die Entfernung zwischen Schütze und Ziel sechs Mal so schnell überbrücken wie ein startendes Passagierflugzeug.
Doch obwohl Kuchin den Kojoten im Visier hatte, schoss er nicht. Stattdessen senkte er die Waffe wieder. Das Tier hatte nicht die geringste Ahnung, dass es gerade knapp dem Tod entronnen war, und so trabte es einfach weiter, bis es schließlich verschwunden war. Kuchin wanderte wieder zu seiner Luxushütte zurück. Er hatte noch nie gerne Tiere getötet. Selbst das Fischen interessierte ihn nicht wirklich, auch wenn sein Vater sich damit den Lebensunterhalt verdient hatte.
Wieder in der Hütte angekommen hing Kuchin den Parka an einen Haken neben der Tür, schloss sein Gewehr weg und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. An seiner Telefonanlage blinkte ein Licht. Kuchin hörte den Anrufbeantworter ab, und die Nachricht vertrieb all die trüben Gedanken, die er schon den ganzen Tag über gehegt hatte.
Es war Alan Rice.
»Wir haben ihn gefunden.«
Kapitel siebzig
R eggie liebte den Trafalgar Square. Für sie war er die Verkörperung von allem Britischen, im Mittelpunkt Lord Nelson auf seiner Granitsäule, der Retter des Britischen Empires, der in der Schlacht von Trafalgar einen heldenhaften Tod gestorben war. Und auch wenn heutzutage nicht mehr jedes Schulkind wusste, wer Lord Nelson war und was er getan hatte, so war sein Denkmal doch noch immer ein Symbol der Unbezwingbarkeit des britischen Volkes.
Aber es gab auch diese großen, fürchterlichen Tauben. Zwar war Nelson vor ein paar Jahren gründlich gereinigt worden, und die Stadt hatte Schritte unternommen, den Platz von den fliegenden Ratten zu befreien, doch die Vögel waren schier unaufhaltsam, sodass der arme Admiral ständig mit Taubenscheiße bedeckt war. Und zu Füßen des großen Helden wimmelte es nur so von Menschen aller Art. Sie spazierten, saßen, tanzten, schrien, tranken, musizierten, machten Fotos, lasen, flirteten und hatten manchmal, spät in der Nacht, auch Sex. Und die ganze Zeit über umrundeten bunte, mit Werbebildern beklebte Taxis und rote Busse den Platz, wie sie einfach für das Überleben in einer der größten Metropolen der Welt nötig waren. Der Trafalgar Square war die perfekte Mischung von Alt und Neu, und Reggie saugte das alles förmlich in sich auf und vergaß dabei kurz sogar, dass sie sich gleich mit einem Mann treffen würde, der sie problemlos vernichten könnte.
Angesichts all dessen, was hier auf dem Spiel stand, war es dann auch ein wenig absurd, dass Reggie sich vor allem darüber Gedanken
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