Doppelspiel
Reggie hustete, wedelte Staub und Rauch beiseite und ging wieder nach vorne, um das Ergebnis ihrer Schießkunst zu begutachten. Auf dem Weg schaltete sie den Ventilator ein, doch es dauerte einen Moment, bis er den Dunst weggeblasen hatte. So viel zum Thema erstklassige Schießanlagen.
Sieben ihrer elf Kugeln waren genau dort eingeschlagen, wo sie sie haben wollte: im Torso. Wäre das ein echtes Ziel gewesen, so hätten die Geschosse gleich mehrere lebenswichtige Organe durchschlagen. Zwei Kugeln hatten in den Kopf getroffen, und auch das hatte Reggie genau so gewollt. Eine Kugel hatte die Trefferzone um einen Millimeter verfehlt, und der letzte Schuss war inakzeptabel weit danebengegangen.
Reggie ersetzte die Zielscheibe durch eine neue, lud nach und schoss erneut. Zehn von elf. Noch einmal. Elf von elf. Und noch ein letztes Mal. Neun von elf. Trotz des auf vollen Touren laufenden Ventilators war der Tunnel inzwischen voller Rauch, und Reggie konnte kaum noch atmen.
»Verdammte Scheiße!«, bellte sie, hustete und wedelte den Rauch weg. Vermutlich konnte sie die letzten Fehlschüsse damit erklären, dass sie nicht mehr richtig hatte atmen können. Auch konnte sie das verdammte Ziel kaum noch sehen. Reggie schlurfte durch den Tunnel wieder zurück und wünschte sich, sie hätten eine richtige Schießanlage; doch der Tunnel war der einzige Ort auf dem Anwesen, wo ein Schuss nicht von einem zufällig vorbeikommenden Passanten gehört werden konnte, der dann die örtliche Polizei verständigt hätte. Von tattrigen Akademikern erwartete man keine Vorliebe für Feuerwaffen. Überrascht sah Reggie, dass Whit an der Tür zum Gewächshaus stand.
»Ich dachte mir schon, dass du hier unten bist«, sagte er. »Und? Gut geschossen?«
»Nein. Mies.« Reggie trat ins Gewächshaus und schloss die Doppeltür hinter sich ab.
Whit lehnte an einem gläsernen Schrank, in dem einst die Setzlinge aufbewahrt worden waren. In der wieder kälter werdenden Luft kondensierte sein Atem. »Mach dir deswegen keinen Kopf. Normalerweise arbeitest du ja eh nicht mit Knarren. Du bist mehr das Messer- und Kissenmädchen. Der 9-mm-Kerl bin ich.«
Reggie runzelte ob seiner Offenheit die Stirn. »Manchmal bist du wirklich ein Arsch, Whit.«
»Ich wollte dich nur ein wenig aufheitern. Du bist der angespannteste Mensch, den ich je gesehen habe.«
»Dann solltest du mal öfter vor die Tür gehen. Ich bin nämlich eigentlich ziemlich locker.«
»Und was denkst du von diesem Fedir Kuchin?«
»Ich denke, dass wir ihn schon bald in der Provence sehen werden.«
»Das geht alles ein wenig schnell. Ich hätte gerne ein wenig mehr Zeit zur Planung gehabt.«
Reggie zuckte mit den Schultern. »So wie der Professor es uns erklärt hat, verlässt die Viper ihr Nest nur selten. Das könnte unsere einzige Chance sein.«
»Dein Cover muss erstklassig sein. Der Kerl hat Kontakte, über die er verdammt tief buddeln kann.«
»Unsere Leute sind bis jetzt immer durchgekommen.« Reggie wartete. Sie fühlte, dass Whit noch mehr zu sagen hatte.
»Ich will dabei sein … direkt vor Ort«, sagte er plötzlich und hielt dann inne, vermutlich um Reggies Reaktion darauf zu sehen. »Könntest du wohl mal mit dem Prof deswegen reden?«
Reggie steckte die Pistole wieder weg und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab, das auf einer Werkbank lag. »Die Planung ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Dafür bleibt noch Zeit genug.«
»Du weißt doch, wie Mallory denkt. Als Speerspitze bist du immer erste Wahl.«
»Du hast auch schon genug Missionen geleitet, Whit«, erklärte Reggie.
»Ja, genau. Das habe ich – aber nur, bis du gekommen bist. Versteh mich nicht falsch. Ich mache dir keine Vorwürfe deshalb. Du bist ganz hervorragend in deinem Job, brillant sogar. Und da wir größtenteils hinter alten Säcken her sind, ergibt es durchaus Sinn, eine Frau an die Front zu schicken, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Aber ich bin auch nicht schlecht. Und Tatsache ist, dass ich mich nicht als Wasserträger für diesen Job gemeldet habe. Ich will auch meinen Beitrag leisten.«
Reggie dachte kurz darüber nach. »Ich werde mit dem Professor reden. Kuchin ist schließlich kein neunzigjähriger Nazi, der einfach so auf ein hübsches Gesicht und ein wenig nackte Haut reinfällt.«
Whit grinste, trat näher an Reggie heran und ließ seinen Blick über ihren Körper wandern. »Mach dich nicht kleiner, als du bist, Reg. Das funktioniert bei den meisten Männern, egal ob jung
Weitere Kostenlose Bücher