Doppelspiel
Schulter des Mannes und fühlte, dass da noch jemand in der Dunkelheit lauerte.
Der Mann nahm die Flasche wieder weg und hielt Shaw ein Stück Brot hin.
»Wasser und Brot?«, fragte Shaw.
»Immer noch besser als nichts.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu erklären, warum Sie mir den Schädel eingeschlagen und mich entführt haben?«
»Das war alles nur zu Ihrem Besten.«
»Warum glaube ich das nur nicht?«
»Mir ist egal, was Sie glauben oder nicht.«
»Okay. Und was jetzt?«
»Jetzt bleiben Sie einfach schön hier sitzen und entspannen sich. Wir werden Sie gut behandeln. Essen, Wasser, wann immer Sie wollen.«
»Bei alldem Wasser werde ich auch irgendwann mal pissen müssen.«
Der Mann deutete nach links. Shaw sah eine Toilette im Schatten. »Sagen Sie mir einfach Bescheid.«
»Einfach so?«
»Wie gesagt: Entspannen Sie sich einfach, und Sie sind bald wieder draußen.«
»Wo ist Waller?«, verlangte Shaw in scharfem Ton zu wissen.
»Wer?«
Der Mann schaute zu der Tür hinter sich, und Shaw war wieder verwirrt. Er schaukelte auf dem Stuhl hin und zurück und stellte rasch fest, dass er am Boden festgenietet war. Diese Leute hatten das gut durchdacht. Er fragte sich, wie weit er von Gordes entfernt war. Shaw hatte keine Ahnung, wie lange er ohne Bewusstsein gewesen war. Vielleicht war er ja noch nicht einmal mehr in Frankreich.
Aber wenn diese Typen hier nicht zu Waller gehörten, zu wem dann? Nein, natürlich mussten sie zu ihm gehören, auch wenn sie Unwissen vortäuschten. Und Shaw fragte sich auch, was Frank jetzt dachte. Als Shaw nicht am Flughafen erschienen war, war Frank mit Sicherheit ins Hotel gefahren und hatte aus Shaws Verschwinden vermutlich geschlossen, dass er desertiert war.
Shaw lehnte sich auf dem Stuhl zurück und atmete tief durch. Allmählich gingen ihm die Möglichkeiten aus. Und Janie war im Augenblick wahrscheinlich bei Waller … oder schon tot.
Kapitel siebenundvierzig
S ie scheinen in Gedanken ganz woanders zu sein.« Reggie schaute zu Waller. Sie spazierten durch die Straßen von Roussillon, nachdem sie getrennt hierhergefahren waren, wobei Reggie Wallers Karawane gefolgt war. Roussillon besaß den typischen Charme eines provenzalischen Dorfes, der allerdings noch durch die ockerfarbene Tönung der Gebäude verstärkt wurde.
»Ich bin nur müde. Letzte Nacht habe ich nicht viel geschlafen.«
»Ich hoffe, es haben Sie keine Sorgen wach gehalten.«
Der Mann trug eine gebügelte Jeans, ein weißes Baumwollhemd und Ledersandalen. Ein Panamahut saß auf seinem haarlosen Kopf und schützte seine blasse Haut vor der Sonne. Die Kleidung verlieh ihm ein fröhliches, entspanntes Aussehen, ein Umstand, den selbst Reggie nicht ignorieren konnte.
»Das ist vermutlich noch der Jetlag. Dieses Städtchen hier ist wirklich wunderschön. Die Farben sind so vollkommen anders als alles, was ich bisher gesehen habe.«
»Meine Mutter stammt von hier«, erzählte Waller stolz. »Ich erinnere mich noch gut an diesen Ort aus meiner Kindheit.«
Reggie blieb stehen, um sich ein Bild in einem Schaufenster anzusehen, doch sie dachte an etwas vollkommen anderes. Sie fragte sich, wie Fedir Kuchin als kleines Kind durch den Eisernen Vorhang hatte gelangen können, oder besser, wie seine Eltern mit ihm im Schlepptau hierhergekommen waren. Sowjetbürger hatten damals so gut wie keine Reisemöglichkeiten. Kuchins Vater musste ein hohes Parteimitglied gewesen sein, dass man ihm eine solche Freiheit gewährt hatte. Und Reggie fragte sich auch, warum eine Französin aus einem provenzalischen Dorf ausgerechnet einen ukrainischen Kommunisten geheiratet hatte. Aber vielleicht war das alles ja auch nur gelogen. Ja, das war schon wahrscheinlicher.
»Gefällt Ihnen das Gemälde?«, fragte Waller hinter ihr.
Reggie schaute sich weiter die friedliche Hafenszene an, die auf der Leinwand dargestellt war. »Das ist wesentlich angenehmer für die Seele als die Arbeiten von Señor Goya.«
»Jaja, aber dieser Maler hier wird nie Goyas Ruf haben. Goya hat der Welt einen großen Dienst erwiesen.«
Reggie drehte sich zu ihm um. »Wie das?«
»Er hat in schwierigen Zeiten gelebt. Krieg, Armut, Grausamkeit. Deshalb hat er Albträume gemalt. Mit Öl auf Leinwand hat er die Welt daran erinnert, dass da draußen immer das Böse lauert. Das ist eine wichtige Lektion, die wir nie vergessen dürfen, doch unglücklicherweise tun wir das ständig.«
»Haben Sie solche Dinge selbst schon erlebt?«
»Ich habe
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