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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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den Hintern und ich konnte nicht anders, als dem Grinsen nachzugeben, das sich in meine Mundwinkel gestohlen hatte.
    Colin chauffierte uns in seinem Wagen. Gianna dirigierte ihn großräumig gestikulierend die Küstenstraße entlang, doch er schien zu wissen, wie er fahren musste. Pietropaola klang in meinen Ohren nicht aufregend und eher nach einem Wallfahrtsort als nach einem Platz, wo man vergessen, sich versöhnen und auftanken konnte. Umso erstaunter stellte ich fest, dass es in Kalabrien tatsächlich touristische Bemühungen gab, obwohl das Ambiente eher einem Rummelplatz glich als einer italienischen Piazza. Gianna lotste uns durch die Fahrgeschäfte, Buden und im Korso marschierenden Einheimischen zu einer weitläufigen Outdoorbar inmitten eines Hotelgartens, der großzügig mit blühenden Blumenranken und Palmen bestückt worden war.
    Ich fühlte mich, als hätten wir nach einem langen Marsch durch die Wüste endlich die lebensrettende Oase gefunden. Sofort empfand ich die Missstimmungen zwischen Gianna, Tillmann, Paul und mir als weniger dramatisch. Mir gefiel spontan alles hier, ganz entgegen meines Hangs zu nörgeln – ja, mir gefielen die runden Tische mit ihren unbequemen Flechtstühlen, die halbrunde Bar, die billige Beleuchtung, die Stumpenkerzen, die Schnulzenmusik, die aus den Boxen schallte, und auch der weiße Flügel, der auf einem Podest in der Mitte der Anlage thronte. Dabei war es nicht einmal ein echter Flügel. Es war ein Teil, das aussah wie ein Flügel und in dem ein Alleinunterhalter-Keyboard versenkt worden war. Ausnahmsweise gefielen mir sogar die umherwuselnden, geschäftigen Kellner, die so taten, als hätten sie Hunderte von Gästen zu bedienen, und die trotz ihrer demonstrativen Hektik entspannt wirkten. Das beherrschten die Italiener perfekt – in der Hektik zu entspannen. Dabei waren nur wenige Gäste außer uns da. Wahrscheinlich war es noch zu früh am Abend.
    Neugierig starrte ich in einen Brunnen, in dem echte Fische schwammen und in den eine kleine, dicke marmorne Putte ununterbrochen hineinpinkelte.
    Die anderen hatten bereits einen Tisch in einer lauschigen, von Palmen umgebenen Ecke gefunden, zu dem sie mich rufend herbeiwinkten. Früher hatte ich versteckte Plätze geliebt und in Restaurants immer den Stuhl besetzt, der mich vor fast allen Blicken schützte. Doch heute war mir das gar nicht recht. Ich wollte alles sehen, alles auf mich einwirken und mich von jedem Detail ablenken lassen. Ich rückte den letzten freien Stuhl ein wenig zur Seite, um durch die Palmwedel auf das Klavier schauen zu können, doch der Wortwechsel zwischen Colin und Gianna, der sich in meiner Abwesenheit entsponnen hatte, lenkte mich ab.
    Sie sprachen auf Italienisch miteinander und das ärgerte mich. Colin schmunzelte wissend, als er etwas zu Gianna sagte, was sie sofort in ein leicht verlegenes Kichern ausbrechen ließ.
    »Hallo, ich bin auch noch da«, giftete ich.
    »Oh, das ist nicht zu übersehen, Lassie«, entgegnete Colin, ohne mit diesem aufreizend süffisanten Grinsen aufzuhören. Gianna kicherte nun hinter vorgehaltener Hand – völlig unnötig, man hörte sie sowieso –, während Tillmann mit undurchdringlichem Blick auf meine nackten Beine schielte, die ich neben dem Tisch ausgestreckt hatte. Ich hatte meine abgeschnittene Jeans anbehalten, wusste aber nicht, was daran so verwerflich sein sollte. Gianna trug doch auch immer die allerkürzesten Röcke – sogar heute hatte sie einen davon an.
    »Was ist denn nun wieder verkehrt?«, fragte ich ungehalten. Ich war plötzlich nicht mehr willens, die ständige Ausgrenzung klaglos über mich ergehen zu lassen. »Wenn ich nicht gerade die Pest übertrage, ist es meine Kleidung, die euch nicht passt? Habt ihr ein Problem damit?«
    »Wollten wir uns nicht entspannen?«, unterbrach Paul unser verbales Gemetzel. »Kommt jemand an den Tisch oder müssen wir selbst an die Bar?«
    Colin stand auf. Zum ersten Mal, seitdem er aufgetaucht war, erlaubte ich mir einen genaueren Blick auf sein Erscheinungsbild. Der Teufel trägt Schwarz, dachte ich ironisch. Schwarzes Shirt, schwarzer dünner Schal, schwarze schmale Hose. Er hatte sie also doch behalten. Dazu schwarzes Haar, schwarze Augen – wollte er etwa extra betonen, wie weiß seine Haut war? Wie lange würde es heute dauern, bis wir die Menschen um uns herum vertrieben hatten?
    »Ich geh schon, ich bin meistens schnell dran«, sagte er, stutzte aber im selben Augenblick und hob den Kopf, als

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